Sandbox:Zahlensender der DDR

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Flagge der DDR

Die ehemalige DDR betrieb einige Zahlensender, die hauptsächlich in die Bundesrepublik gerichtet waren. Die bekanntesten Vertreter waren sicherlich G03 und G08. Verantwortlich für die Sendungen waren zwei Nachrichtendienste: Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS, kurz Stasi) und die Nationale Volksarmee (NVA) mit den Anteilen der militärischen Aufklärung.

Ministerium für Staatssicherheit

Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (kurz MfS oder umgangssprachlich Stasi), auch Staatssicherheitsdienst (SSD), war der Inlands- und Auslandsgeheimdienst der DDR und zugleich Ermittlungsbehörde (Untersuchungsorgan) für „politische Straftaten“. Das MfS war innenpolitisch vor allem ein Unterdrückungs- und Überwachungsinstrument der SED gegenüber der DDR-Bevölkerung, das dem Machterhalt diente. Dabei setzte es als Mittel Überwachung, Einschüchterung, Terror[1][2] und die sogenannte Zersetzung gegen Oppositionelle und Regimekritiker („feindlich-negative Personen“) ein. Die Auslandsaufklärung erfolgte durch die Hauptverwaltung Aufklärung des MfS.

Das MfS wurde am 8. Februar 1950 gegründet. Patenorganisation war unter anderem das KGB der Sowjetunion. Der Sprachgebrauch der SED, der das MfS als „Schild und Schwert der Partei“ bezeichnete, beschreibt die ihm zugedachte Funktion im politisch-ideologischen System der DDR. Die hauptamtlichen Mitarbeiter sahen sich selbst als Elite, die in der Tradition der sowjetrussischen Geheimpolizei Tscheka die DDR unerbittlich und mit Hass gegen deren Feinde verteidigen sollte.[3]

Die Verwaltung Aufklärung wurde ebenso wie die Grenztruppen und die restliche NVA durch die Hauptabteilung I (MfS-Militärabwehr oder Verwaltung 2000) kontrolliert („abgesichert“).

Hauptverwaltung Aufklärung (MfS)

Wappen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR

Die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA, MfS-intern HV A) war der Auslandsnachrichtendienst der DDR und gehörte zum Ministerium für Staatssicherheit. Durch die Auflösung des MfS 1990 und die anschließende Offenlegung seiner Arbeitsweise wurde die HVA zum Gegenstand eines breiten öffentlichen Interesses und intensiver Forschung (seit 1991 in Verantwortung des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen). Das Ende der HVA und damit das Bekanntwerden der Strukturen, Methoden und Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes stellt einen bislang einmaligen Sonderfall in der deutschen Geschichte dar.

Die Hauptaufgabe der HVA war die Auslandsaufklärung (Spionage), darunter die politische, Militär-, Wirtschafts- und Technologiespionage. Daneben zählten Aktionen gegen westliche Nachrichtendienste (Gegenspionage mittels Eindringen in deren Strukturen), Sabotagevorbereitung und die Aktiven Maßnahmen (z.B. Platzierung von Artikeln in West-Zeitungen, u.a. durch Aktivisten der Friedensbewegung) im Operationsgebiet Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin sowie einigen weiteren Ländern zu den Aufgaben der HVA.

Bekannt geworden ist in der Öffentlichkeit die Methode Romeo der DDR-Auslandsaufklärung HVA. Die Aufgabe der Romeos oder Romeoagenten bestand seit den frühen 1960er Jahren darin, Sekretärinnen von westdeutschen Politikern durch Vortäuschung von Liebe für sich zu gewinnen (Stasi-Jargon „intim betreut“), emotional abhängig zu machen oder sogar „gezielt nachrichtendienstlich“ zum Schein zu heiraten. Die oft ledigen und einsamen Frauen, die zuvor von ostdeutschen Experten ausgesucht wurden, gaben ohne Wissen des eigentlichen Auftraggebers geheime Dokumente ihres Arbeitsbereiches an ihre Liebhaber weiter. Im Jargon der Stasi wurde der Begriff „Ficken fürs Vaterland“ zu einem geflügelten Wort für diese Einsätze. Teilweise wurde den Frauen die Herkunft ihrer Partner aus anderen Staaten als der DDR unter falscher Flagge vorgetäuscht.

Seit Beginn der 1980er Jahre gewann die Militärspionage der Weltsysteme zunehmend an Bedeutung. Die Sowjetunion, die SED-Führung und der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke erwarteten von der HVA angesichts des Kalten Krieges zwischen den Supermächten wesentliche Informationen zur Früherkennung von Kriegsvorbereitungen.

Die Hauptverwaltung Aufklärung lieferte den Bruderdiensten im Ostblock – vor allem dem KGB – den Löwenanteil des Informationsaufkommens aus der Bundesrepublik Deutschland, einem wichtigen europäischen NATO-Mitglied. Der KGB hatte seinen DDR-Hauptsitz in Berlin-Karlshorst, der sowjetische Militärgeheimdienst GRU in Potsdam-Babelsberg, darüber hinaus gab es Verbindungsleute zu jeder Bezirksverwaltung. Hinzu kamen Spionageerfolge aus dem NATO-Hauptquartier in Brüssel und einigen westeuropäischen Staaten, etwa aus Großbritannien. In den USA hingegen konnte die HVA nie wirklich Fuß fassen, dort agierte fast nur der KGB. (Die bedeutsamen Erkenntnisse der DDR-Aufklärung etwa zur NSA stammten von deren West-Berliner Personal.)

Struktur

1989 hatte die HVA 21 Abteilungen und fünf Arbeitsgruppen (AG). Daneben gab es den Stab der HVA sowie den für die Technologiespionage zuständigen Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) als abteilungsübergreifende Struktur.

Abteilung Auftrag Leiter Mitarbeiter
(ca.)
Unterstellung
A I BRD-Staatsapparat Oberst Bernd Fischer 100 Ralf-Peter Devaux
A II Parteien u. Organisationen der BRD Oberst Kurt Gailat 70 Ralf-Peter Devaux
A III Legalresidenturen in „dritten Ländern“ (d.h. außer BRD) Oberst Horst Machts 70 Prosetzky
A IV Militärspionage in der BRD Oberst Siegfried Milke 100 Tauchert
A V (SWT) Auswertung für den SWT Oberst Harry Herrmann 80 Vogel
A VI Operativer Reiseverkehr Oberst Helmut Reinhold 210 Geyer
A VII Auswertung und Information Oberst Werner Bierbaum 110 Werner Großmann
A VIII Operative Technik, Funk Oberst Werner Degenhardt 220 Vogel
A IX Gegenspionage im In-und Ausland und feindliche Dienste in der BRD Generalmajor Harry Schütt 190 Werner Großmann
A X Aktive Maßnahmen (Desinformation) in der BRD/West-Berlin Oberst Rolf Wagenbreth 60 Großmann
A XI Nordamerika, US-Einrichtungen in der BRD Oberst Jürgen Rogalla 70 Tauchert
A XII NATO und Europäische Gemeinschaft Oberst Klaus Rösler 60 Tauchert
A XIII (SWT) Grundlagenforschung Oberst Siegfried Jesse 60 Vogel
A XIV (SWT) Elektronik, Optik, EDV Oberst Horst Müller 60 Vogel
A XV (SWT) Wehrtechnik, Maschinenbau
Referat 5, Stellv. Ltr. Matthias Warnig
Oberst Günter Ebert 60 Vogel
A XVI Nutzung legaler Beziehungen, Koordinierung HVA-Firmen Oberst Rudolf Genschow 40 Ralf-Peter Devaux
A XVII Grenzschleusungen Oberst Werner Wulke 60 Geyer
A XVIII Sabotagevorbereitung Oberst Gotthold Schramm 110 Ralf-Peter Devaux
A XIX Schulung, Betreuung Oberst Harry Mittenzwei 60 Prosetzky
A XX EDV, Rechenzentrum Oberst Peter Feuchtenberger 120 Vogel
A XXI Rückwärtige Dienste, Verwaltung, Kasse Oberst Tilo Kretzschmar 110 Geyer
AG S (Sicherheit) Innere Sicherheit der HVA Oberst Eberhard Kopprasch 20 Großmann
AG XV/BV Anleitung der Abt. XV der MfS-Bezirksverwaltungen Oberst Manfred Ebert 10 Geyer
AG 1/SWT Residenturkräfte SWT Oberst Gerhard Jauck 20 Vogel
AG 3/SWT Operative Beschaffung von Rüstungsgütern Oberst Erich Gaida 20 Vogel
AG 5/SWT Nutzung offizieller Kontakte Oberst Christian Streubel 20 Vogel
Stab der HVA Koordinierung, Grundsatz-/Führungsdokumente Generalmajor Heinz Geyer 20 (Geyer)

Anmerkungen:

  • Bis 1988 hieß die Abt. A XVI Bereich K oder Koordinierungsstelle (KOST), die Abt. A XVII hieß AG Grenze (AG G). Die Abt. A XVIII entstand 1987 aus Teilen der damaligen Abteilung IV des MfS.
  • Den in römischen Ziffern geschriebenen Abteilungsnummern wurde ein A (oder HV A) vorangestellt, um Verwechslungen mit den übrigen Abteilungen der Staatssicherheit zu vermeiden. So existierten beispielsweise gleichzeitig die Abt. XII des MfS (Archiv) und die Abt. A XII der HVA (NATO/EG).
  • Nachdem etwa 1974 die HV B (Bewirtschaftung) des MfS in Verwaltung Rückwärtige Dienste umbenannt wurde, war die HVA die einzige Hauptverwaltung.

Zuständig für die Zahlensender war die Abteilung A VIII Operative Technik, Funk. Hier wurden die Nachrichten aufbereitet und kodiert, um dann über die Sendestelle(n) zu den festgelegten Uhrzeiten abgesetzt zu werden.

Zentrale

Letzter Hauptsitz der HVA im Ministeriumskomplex Berlin-Lichtenberg [3]

Der HVA-Vorläufer APN residierte zu Beginn der 1950er Jahre zuerst in Berlin-Pankow, dann am Rolandufer in Berlin-Mitte.

Der Dienstsitz der HVA befand sich seit Mitte/Ende der 1950er Jahre im Gebäudekomplex der Zentrale des MfS in Berlin-Lichtenberg. Nach Fertigstellung der Büroneubauten an der Ecke Ruschestraße/Frankfurter Allee bezog der Dienst dort sein Hauptquartier. (Nach 1990 benutzte ein neu gegründetes Arbeitsamt ein Gebäude an der Ecke Gotlindestraße/Ruschestraße, in dem es sich noch immer befindet. Die Gebäude an der Frankfurter Allee werden von der Deutschen Bahn genutzt.) Der Operativ-Technische Sektor (OTS) war in der Roedernstraße in Berlin-Alt-Hohenschönhausen untergebracht. Die nachgeordneten Abteilungen XV hatten ihren Sitz in jeder Bezirksverwaltung des MfS.

Auslandsagenten

In den 40 Jahren von 1949 bis 1989 waren in der Bundesrepublik Deutschland etwa 12.000 West-Spione tätig, bekannt geworden unter dem pseudo-patriotischen Namen Kundschafter des Friedens.[4] Zum Zeitpunkt des Zusammenbruches der DDR gab es in der Bundesrepublik Deutschland noch rund 2000 aktive MfS-Spione, wie die veröffentlichte Auswertung der sogenannten Rosenholz-Dateien im März 2004 ergab.[5] Die Anzahl der IM, welche für die Hauptverwaltung Aufklärung in der DDR selbst tätig waren, wurde dabei mit 20.000 beziffert. Das MfS unterstützte in der Bundesrepublik Deutschland ihm nützlich erscheinende politische Kräfte. So wurden unter dem Decknamen „Gruppe Ralf Forster“ in der DDR ausgewählte Kader der DKP im Nahkampf und Sprengstoffeinsatz ausgebildet. Die Unterlagen des MfS zur „Gruppe Ralf Forster“ wurden geschreddert und im Jahr 2004 wieder in der Birthler-Behörde rekonstruiert. Die Agenten der MfS-Abteilung für Spezialkampfführung sollten eine militärische Besetzung des „Operationsgebietes“ durch Diversion, Spionage und Sabotage vorbereiten, sie waren in der Bundesrepublik und anderen westlichen Staaten, so auch in der Schweiz (z. B. Agentenpaar Müller-Hübner) aktiv.[6] Die Stasi-Unterlagenbehörde ging 2011 davon aus, dass noch Tausende ehemalige Westspione unentdeckt sind.[4]

Auflösung (Abwicklung)

Als Ende 1989 die meisten Bezirksverwaltungen des MfS von Demonstranten besetzt wurden, arbeitete die HVA in der Berliner MfS-Zentrale weiter. Die Mitarbeiter des Dienstes bemühten sich, Akten zu vernichten und Quellen abzuschalten. Während der Umstrukturierungen zum Jahreswechsel 1989/90 wurde die für die Überwachung der KoKo zuständige AG BKK des MfS wegen des verwandten Arbeitsgegenstandes der HVA zugeschlagen. Am 13.  Januar 1990 verfügte die DDR-Regierung unter Hans Modrow auf Initiative des Zentralen Runden Tisches die ersatzlose Auflösung des MfS/AfNS und damit auch der kurz zuvor in Nachrichtendienst der DDR umbenannten HVA.

Bei der Erstürmung des MfS-Komplexes in Berlin-Lichtenberg am 15. Januar 1990 blieben die Räume der HVA unangetastet. Am 8. Februar entstand einerseits das Komitee zur Auflösung des ehemaligen AfNS, andererseits wurden drei Regierungsbeauftragte zur Kontrolle des Auflösungsprozesses eingesetzt.

In dem Beschluss der Arbeitsgruppe Sicherheit des Zentralen Runden Tischs vom 23. Februar 1990 zur Auflösung der HVA heißt es in der (getippten) Originalfassung: „Die Kontrolle aller Maßnahmen erfolgt durch das Bürgerkomitee.“ Vom alleinigen Unterzeichner des Dokuments, dem Regierungsbeauftragten der Modrow-Regierung Generaloberst Fritz Peter, wurde, ohne erkennbare Legitimation (keine Gegenzeichnung), die Kontrolle handschriftlich geändert in: „Die Kontrolle erfolgt durch die Arbeitsgruppe Sicherheit im engen Zusammenwirken mit dem Bürgerkomitee und wird durch Herrn Dr. Böhm koordiniert.“ Georg Böhm war Peters Stellvertreter. Damit war die eigentlich beschlossene Kontrolle nur noch Theorie, was später als „genehmigte Selbstauflösung“ bezeichnet wurde.[7] Die Zuordnung der AG BKK zur ehemaligen HVA wurde rückgängig gemacht; inzwischen waren – nach späterer Einschätzung des KoKo-Ausschusses des Bundestags sowie der BStU – etliche Unterlagen aus diesem Bereich verschwunden. Der wie alle MfS-Mitarbeiter Anfang 1990 entlassene HVA-Chef Großmann wurde Berater der umgehend gebildeten Gruppe zur Auflösung der HVA. Die konkrete Abwicklung innerhalb dieser Gruppe leitete Bernd Fischer, vormals Oberst und Chef der HVA-Abteilung I. Der Nachrichtendienst sollte zum 1. Juli 1990 vollständig aufgelöst sein.

Fast alle personenbezogenen Unterlagen, Spionageergebnisse und sonstigen HVA-Materialien wurden bis Juni 1990 vernichtet. Dabei unterliefen den Auflösern zwei folgenschwere Fehler:

  • Einerseits gelangte auf nicht völlig geklärte Weise eine Kopie einer mikroverfilmten Kartei, die später als Rosenholz-Dateien bekannt wurden, zur CIA. Die Beschaffung hieß bei der CIA Operation Rosewood. Die anfangs oft vertretene Auffassung, es handle sich um eine Art Mobilisierungskartei, trifft nicht zu.[8]
  • Andererseits existierte seit 1987 eine externe Sicherungskopie der SIRA-Datenbank, in der die HVA-Eingangsinformationen als Zusammenfassungen samt einigen Daten zu den liefernden Spionen gespeichert wurden. Diese SIRA-Kopie entging der Vernichtung, kam auf Umwegen ins BStU-Archiv und wurde seit 1998 weitgehend entschlüsselt. Zusammen mit den von der CIA übergebenen Rosenholz-Dateien ermöglichen diese Daten inzwischen tiefe Einblicke in die DDR-Spionage der Jahre 1969 bis 1989.

Als die Gruppe um Fischer dem staatlichen MfS-Auflösungskomitee fristgemäßen Vollzug meldete, waren weder alle Dokumente vernichtet noch die HVA-Firmen korrekt liquidiert. Die Zerstörung ausgelagerter Akten lief sogar nach dem 3. Oktober 1990 weiter; bei F.C. Gerlach und Asimex wurden bis 1991 noch mehrere Hundert Millionen D-Mark Bundesvermögen veruntreut. Die HVA-Auflöser machten in ihrem Abschlussbericht lediglich allgemeine Angaben und verschwiegen die Probleme.

Zahlensendungen

Bis heute ist der Beweis, dass das MfS und seine Hauptverwaltung Aufklärung Urheber der Sendungen von G08 sind, nicht erbracht. Das Gros der zusammengetragenen Information beruhen auf den Erinnerungen von ehemaligen Soldaten der NVA, die während ihrer Dienstzeit mit der Nachrichtenbeschaffung im weitesten Sinne zu tun hatten. Sei es nun als Betriebstechniker oder Funker. Hinzu kommen über die Jahre durch Hobbyfreunde zusammengetragene Einzelinformationen, die inzwischen ein recht komplexes Gesamtbild ergeben. Viele Fragen sind aktuell jedoch noch nicht geklärt:

  • Wo standen die Sender für G08?
  • Wurden die Nachrichten auch am Senderstandort geschlüsselt?

Hinzu kommen einige Unsicherheiten, ob es sich bei den Sendungen von G08 tatsächlich um Nachrichten an DDR-Agenten im Westen handelte oder die Sendungen lediglich dazu dienten, die westliche Spionageabwehr durch "Füllfunk" zu beschäftigen. Diese Frage wird wohl nie völlig geklärt werden können. Es erscheint aber logisch, dass es sich bei den Zahlensendungen zu 50% um echte Nachrichten gehandelt hat und die andere Hälfte tatsächlich der Täuschung diente.

Militärische Aufklärung der Nationalen Volksarmee

Emblem der Landstreitkräfte der Nationalen Volksarmee, das an beiden Seitentüren von NVA-Fahrzeugen angebracht wurde

Neben dem MfS gab es auch einen weiteren Nachrichtendienst in der DDR, die Militärische Aufklärung der Nationalen Volksarmee (militärischer Aufklärungsdienst) mit Sitz in Berlin-Köpenick.

Die Militärische Aufklärung der Nationalen Volksarmee war ein Instrument der militärischen Führung zur Beschaffung, Bearbeitung, Analyse und Bewertung von Informationen zur militärpolitischen und militärischen Lage auf hoher militärischer und politischer Ebene des Gegners, um durch rasche Auswertung der Nachrichten zu einer aktuellen Lagebeurteilung und Feindbeurteilung zu kommen. Die Bezeichnung dieses militärischen Nachrichtendienstes (Mil. ND bzw. MIL-ND)[9] wurde in der Zeit seines Bestehens mehrmals geändert.[10]

Allgemeines

Die Namen der Einrichtung waren:

  • 1952 - 1953 Verwaltung für Allgemeine Fragen
  • 1953 - 1956 Verwaltung 19 (Synonyme: Dienststelle 1000, Verwaltung 1000)
  • 1956 - 1959 Verwaltung für Koordinierung
  • 1959 - 1964 12. Verwaltung
  • 1964 - 1984 Verwaltung Aufklärung
  • 1984 - 1990 Bereich Aufklärung
  • 1990 - 1990 Informationszentrum des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung

Leiter waren[11]

  • 1952 bis 1957 Generalmajor Karl Linke
  • 1957 bis 1959 Oberst Willy Sägebrecht
  • 1959 bis 1974 Generalleutnant Arthur Franke
  • 1974 bis 1982 Generalleutnant Theo Gregori
  • 1982 bis 1990 Generalleutnant Alfred Krause

Im gedeckten Nachrichtenverkehr hatte der Bereich Aufklärung als Teil des Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV) den Namen „Wostok 21“.[12] Ihr letzter Standort lag bis zur Auflösung 1990 in Berlin-Köpenick.

Auftrag

Der Hauptauftrag des Militärgeheimdienstes der DDR war die „Verhinderung der Überraschung durch den Gegner“.[13] Der Auftrag der militärischen Aufklärung, der sich daraus ergab, bestand in erster Linie darin, die Lage in Bezug auf potentielle Gegner zu erkunden und deren Zustand, Möglichkeiten und Absichten zu erforschen. Dabei unterschied man in:

  • Hauptländer
  • Nebenländer
  • Drittländer

Innerhalb dieser Länder lagen 1988 allein 17 „Räume mit besonderer Aufmerksamkeit“ in denen sich Hauptobjekte und Beobachtungsobjekte der Aufklärung befanden. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik waren dies in den 1980er Jahren etwa 1.700 Objekte.[13] Für die Staats- und Parteiführung der DDR und für die militärische Leitung hatte der militärische Nachrichtendienst strategische Bedeutung. Ziele und Aufträge der Verwaltung Aufklärung wurden vom Ministerium für Nationale Verteidigung festgelegt. Die Hauptanstrengungen der Verwaltung Aufklärung galten im Wesentlichen der Aufklärung der NATO-Streitkräfte in den Kommandobereichen Europa Mitte und Ostseezugänge. Sie waren insbesondere auf die strategischen Richtungen Berlin, Osnabrück und Brüssel sowie Leipzig, Frankfurt/Main und Nancy zu konzentrieren. Für die Aufklärungstiefe wurde eine Begrenzung von 400 bis 600 Kilometer, die Operationszone der Volksmarine (VM) einbezogen, festgelegt. Als ständige Räume besonderer Aufmerksamkeit waren ein Streifen zwischen der Staatsgrenze der DDR und CSSR zur Bundesrepublik Deutschland und die Linie Hamburg-Soltau-Hannover-Paderborn-Marburg-Nürnberg, dazu das Territorium von Berlin (West), definiert.[14]

Die Spionageabwehr, also das Erkennen gegnerischer Spione, die versuchten, die NVA oder gar die militärische Aufklärung selbst zu unterwandern, gehörte nicht zu den Aufgaben der militärischen Aufklärung. Dafür war das Ministerium für Staatssicherheit („Verwaltung 2000“) zuständig.

Unterstellung

Dieser Nachrichtendienst unterstand dem Stellvertreter des Ministers und Chef des Hauptstabes des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MfNV). Die Truppenaufklärung war im MfNV unter der Bezeichnung "Verwaltung Aufklärung" personell und organisatorisch vom militärischen Nachrichtendienst der NVA bis zum Jahre 1964 getrennt. Bis dahin gab es einen Chef Aufklärung im Hauptstab des MfNV und einen Chef der 12. Verwaltung. Die 12. Verwaltung und die Verwaltung Aufklärung wurden am 1. September 1964 zusammengefasst. Der Chef der neuen Verwaltung Aufklärung war von nun an in Personalunion Chef Aufklärung des Ministeriums für Nationale Verteidigung.[14]

Gliederung

Die Militärische Aufklärung der Nationalen Volksarmee gliederte sich 1988 in die vier Organisationselemente "Stab", "Agenturische Aufklärung", "Strategische Aufklärung" und "Operativ-Taktische Aufklärung".

Stab

Als Stabsorgane waren dem Chef des Bereichs Aufklärung unmittelbar unterstellt:

  • Abteilung für Grundsatzfragen
    Hier wurden von knapp 10 Mitarbeitern Grundsatz- und Führungsentscheidungen sowie Planungs- und internationale Aufgaben für den Chef Aufklärung vorbereitet und dessen Posteingänge und -ausgänge bearbeitet.
  • Abteilung Operative Sicherstellung und Kontrolle
    Die Abteilung (ca. 30 Mitarbeiter) bestand aus den Arbeitsgruppen Operative Reisetätigkeit, Sicherheitslage, Dokumente und Sicherstellung. Die Stabsabteilungen waren in alle sicherheitsrelevanten Belange einbezogen und hatten damit eine hohe operative Bedeutung, da hier sowohl die agenturischen Kenntnisse als auch die militärischen Geheimnisse am höchsten konzentriert waren.[15]
Bekannte Mitarbeiter
  • Alfons Hexamer, Kapitän zur See
  • Günter Weiß, Oberst
  • Werner Brettschneider, Oberst
  • Jochen Kelling, Oberst

Agenturische Aufklärung

(1984 umbenannt in 1. Verwaltung)

Die Aufgaben der Ende der 1980er Jahre etwa 160 Mitarbeiter umfassenden Verwaltung bestanden in der Beschaffung von Aufklärungsaufgaben über die NATO-Führungsorgane (militärische und militärpolitische Dokumente über Pläne und Absichten des Gegners), die Streitkräfte der BRD und die in der BRD dislozierten NATO-Streitkräfte durch agenturische Mittel und Methoden. Durch agenturische Mitarbeiter und Objektbeobachter wurden militärische Bewegungen an den Objekten und in bestimmten Räumen unter Kontrolle gehalten. Für die Rüstungsindustrie bestand eine entsprechende Aufgabe. Auch Informationen zur nachrichtendienstlichen Lage wurden erarbeitet.[16]

Zur 1. Verwaltung gehörten Außenstellen in 10 Bezirken der Deutschen Demokratischen Republik.

Leiter waren
  • 1955 - 1960 Erich Ripperger, Oberst
  • 1960 - 1975 Eberhard Lehmann, Oberst
  • 1975 - 1980 Heinz Hofmann, Oberst
  • 1980 - 1982 Eberhard Siewert, Oberst
  • 1982 - 1983 Roland Wunder, Oberst
  • 1983 - 1988 Heinz Hofmann, Generalmajor
  • 1988 - 1990 Harry Schreier, Oberst
Bekannte Mitarbeiter
  • Helmut Hannusch, Oberst
  • Siegfried Hoppe, Kapitän zur See
  • Heinz Köhler,Oberst
  • Fritz Küchler, Oberst
  • Ernst Lauschke, Oberst
  • Klaus Meinicke, Oberst
  • Kurt Merkwirth, Oberst
  • Rolf Pechstein, Oberst
  • Dieter Wieckhusen, Oberst
  • Helmut Zerbock, Oberst

Strategische Aufklärung

(1984 umbenannt in 2. Verwaltung)

Mitte der 1980er Jahre hatte die. 2. Verwaltung knapp 250 Mitarbeiter, mit denen die Aufklärung gegen die NATO außerhalb der BRD geführt, durch die Militärattachés und Residenturen unter offizieller Deckung insbesondere in Krisenräumen weltweit betrieben sowie die Beziehungen zu den Armeen der Gastgeberländer gepflegt wurden. Die Verwaltung hatte ihre Mitarbeiter in 49 Staaten. Dazu gehörten 34 Militärattachéapparate, 6 Zweitakkreditierungen und 9 durch Legalisten besetzte Residenturen.[16][15]

Leiter waren
  • 1967 - 1972 Eberhard Bauer, Oberst
  • 1972 - 1980 Eberhard Siewert, Oberst
  • 1980 - 1981 Roland Wunder, Oberst
  • 1981 - 1983 Heinz Hofmann, Generalmajor
  • 1983 - 1988 Harry Rathmann, Generalmajor
  • 1988 - 1990 Günter Oldenburg, Generalmajor
  • 1990 - 1990 Jura Hoffmann, Oberst
Bekannte Mitarbeiter (außer Militärattachédienstes)
  • Werner Denn, Oberst
  • Klaus Ebert, Oberstleutnant
  • Hans-Jürgen Gericke, Kapitän zur See
  • Peter Mühle, Oberst
  • Hans-Dieter Nowak, Oberst
  • Frank Wimmer, Oberstleutnant
  • Werner Zelt, Oberstleutnant

Operativ-Taktische Aufklärung

(1984 umbenannt in 3. Verwaltung)

Die Truppenaufklärung war bis 1964 im Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV) unter der Bezeichnung „Verwaltung Aufklärung" personell und organisatorisch vom militärischen Nachrichtendienst der NVA getrennt. Bis dahin gab es einen Chef Aufklärung im Hauptstab des MfNV und einen Chef der 12. Verwaltung. 1964 wurden die Truppenaufklärung als „Stellvertreterbereich Operativ-taktische Aufklärung“ (OTA) in die 12. Verwaltung integriert, die dann ab 1966 als Verwaltung Aufklärung bezeichnet wurde. 1984 wurde aus dem Stellvertreterbereich die 3. Verwaltung (Operativ-taktische Aufklärung) mit etwa 50 Mitarbeitern. Die 3. Verwaltung war für die operativ-taktische Aufklärung, die Truppenaufklärung, zuständig. Sie umfasste Beobachtung, Fern-, Artillerie-, Pionier-, Chemische Aufklärung, Luftaufklärung, Seeaufklärung, Grenzaufklärung sowie die Funkelektronische und Funkmessaufklärung. Dazu kam die Anleitung und Kontrolle der Aufklärungskräfte der Teilstreitkräfte der NVA und die Koordinierung der Einsätze der teilstreitkräftebezogenen Aufklärungskräfte mit den Aufklärungskräften des Funkaufklärungsregimentes 2. Dieses Regiment hatte in Zusammenarbeit mit dem Informationsdienst des Bereichs Aufklärung auch die Teilstreitkräfte und die Lehreinrichtungen der NVA mit Erkenntnissen über den Gegner zu versorgen. Die funk- und funktechnische Aufklärung des Gegners war die Aufgabe des Funkaufklärungsregimentes 2.

Eine weitere Aufgabe war die Dekryptierung von gegnerischen Codes und Schlüsseln. Schließlich hatte diese Verwaltung Geräte zur Aufklärung zu entwickeln.[16] Anfang 1990 wurde diese Verwaltung wieder aus dem Bereich Aufklärung ausgegliedert und als selbständige „Verwaltung für Truppenaufklärung“ (VTA) dem Chef des Hauptstabes unterstellt.

Leiter waren
  • 1951 - 1957 Herbert Scheibe, Generalleutnant
  • 1957 - 1975 Wolfgang Seidel, Oberst
  • 1975 - 1982 Helmut Prescher, Oberst
  • 1982 - 1990 Gerhard Rother, Generalmajor
Bekannte Mitarbeiter
  • Wolfgang Enderlein, Oberst
  • Hans Fiehberg, Oberstleutnant
  • Günter Haupt, Oberst
  • Holger Leuschner, Oberst
  • Wolfgang Ludwig, Oberst
  • Rainer Matthes, Oberst
  • Werner Thomas, Oberst
  • Horst Rittermann, Oberst

Operative Sicherstellung

(ab 1984 Verwaltung Operative Sicherstellung)

Die Sicherstellung der operativen Arbeit war von Anfang an fester Bestandteil der Militärischen Aufklärung der Nationalen Volksarmee. Im Zuge der Umstrukturierung der Verwaltung Aufklärung in den Bereich Aufklärung entstand dann 1984 die Verwaltung Operative Sicherstellung mit etwa 340 Mitarbeitern. Neben dem Sekretariat und der VS-Stelle gehörten die beiden Abteilungen Operative Technik und Nachrichten sowie die vier Unterabteilungen Beschaffung, Versorgung, Kfz und Operativ dazu.[15] Anfang 1990 wurde diese Verwaltung wieder aus dem Bereich Aufklärung ausgegliedert und als selbständige „Verwaltung für Truppenaufklärung“ (VTA) dem Chef des Hauptstabes unterstellt.

Leiter waren
  • 1952 - 1953 Robert Schicht, Oberstleutnant
  • 1953 - 1955 ?
  • 1955 - 1958 Siegfried Dombrowski, Oberstleutnant
  • 1958 - 1960 Willi Rösler, Oberstleutnant
  • 1960 - 1963 Erich Ripperger, Oberst
  • 1964 - 1975 Wolfgang Seidel, Oberst
  • 1975 - 1989 Willhelm Schönke, Oberst
  • 1989 - 1990 Alfred Bujak, Oberst
Bekannte Mitarbeiter
  • Dieter Buhlik, Oberst
  • Werner Gericke, Oberst
  • Dieter Hass, Oberstleutnant
  • Hermann Jäger, Oberstleutnant
  • Kurt Lewinski, Oberstleutnant
  • Rolf Medefind, Oberst
  • Hermann Nagorski, Oberstleutnant
  • Paul Petrolat, Oberst
  • Georg Salzwedel, Fähnrich

Die Abteilung Operative Technik hatte der 1. und 2. Verwaltung auf dem Gebiet des Containerbaus, der Geheimschreibmittel, der operativen Fotografie und der Dokumentenanfertigung zuzuarbeiten. Die Abteilung Nachrichten war für die Bereitstellung aller Fernmeldeverbindungen (Draht und Funk) und für den Militärischen Nachrichtendienst verantwortlich.[16]

Informationsdienst

Dieser Dienst war mit seinen 130 Mitarbeitern (Stand 1984) für die Aufbereitung und Auswertung der gesammelten Daten und das Ermitteln von komplexen Erkenntnissen zuständig. Mit immer kürzeren Reaktionszeiten auf mögliche Raketenangriffe der NATO erhöhte sich der Zeitdruck für den Informationsdienst, sichere Daten zu liefern, stetig.[13] (siehe dazu auch RJaN in der deutschen Wikipedia)

Leiter waren
  • 1952 - 1956 Helmut Appelt, Major
  • 1956 - 1988 Alexander Karin, Generalmajor
  • 1988 - 1990 Kurt Gottwald, Generalleutnant
  • 1990 - 1990 Manfred Zeise, Oberst
Bekannte Mitarbeiter
  • Wolfgang Wolf, Oberst (NATO-Streitkräfte gesamt)
  • Herbert Klein, Oberst (Militärpolitik)
  • Hans-Dieter Michaelis, Kapitän zur See (NATO-Seestreitkräfte)
  • Dietrich Trapp, Fregattenkapitän (NATO-Seestreitkräfte)
  • Peter Heinzel, Oberstleutnant (NATO-Luftstreitkräfte und -Luftverteidigung)
  • Rudolf Berghaus, Oberstleutnant (NATO-Luftstreitkräfte)
  • Emil Schreier, Oberst (NATO-Landstreitkräfte)
  • Gerhard Göricke, Oberstleutnant (Bundeswehr)
  • Siegfried Mühle, Oberst (Militärtechnik, operativer Ausbau des Kriegsschauplatzes, Elektronische Kampfführung)
  • Manfred Kneschke, Oberstleutnant (Militärhaushalte, Rüstungswirtschaft)

Militärwissenschaftliches Institut

Die 1952 gegründete Schule der Verwaltung Aufklärung wurde 1979 zum Militärwissenschaftlichen Institut (MWI) der Nationalen Volksarmee, entsprach einer Fakultät der Militärakademie Friedrich Engels und hatte das Recht, den akademischen Abschluss des Diplom-Militärwissenschaftlers zu verleihen. Das MWI hatte den Auftrag, den personellen Nachwuchs für die 1. und 2. Verwaltung sowie für den Informationsdienst auszubilden und war dazu in Lehrstühle, Unterabteilungen und Arbeitsgruppen gegliedert.[17] Die Forschungsarbeit konzentrierte sich darauf, die Erfahrungen und aus der Praxis gewonnenen Normativen der agenturischen und strategischen Aufklärung wissenschaftlich zu dokumentieren, analysieren, Optimierungsthesen und daraus Vorschläge für die Qualifizierung dieser Bereiche zu entwickeln.[18]

Leiter waren
  • 1980 - 1982 Manfred Zeise, Oberstleutnant
  • 1982 - 1990 Eberhard Siewert, Generalmajor
Bekannte Lehrer
  • Frank Bethge, Oberstleutnant
  • Karl Fötsch, Kapitän zur See
  • Führich, Oberst
  • Kolbe, Oberst
  • Köppke, Oberst
  • Eberhard Wienmeister, Oberst

Einrichtungen

Zentrale

Das erste Hauptquartier hatte die Militäraufklärung bis 1952 in der Neue Schönholzer Straße 16 im Ost-Berliner Stadtbezirk Pankow. Dort waren alle Verwaltungen, bis auf die 3. Verwaltung (Truppenaufklärung), untergebracht. Diese befand sich in der damaligen Buchhornstraße in Berlin-Wendenschloß.

Ab April 1953 befindet sich der Dienst in der Behrenstraße in Berlin-Mitte, da im vorherigen Domizil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte und die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten. Da dieses Objekt jedoch zu dicht an der Sektorengrenze lag, wurde es nach einem Beschluss des ZK der SED vom Februar 1956 wieder aufgegeben.

Bis 1957 befanden sich einige Abteilungen dann im „Objekt Wendenschloß“ in der Buchhornstraße 42-44 und in der Walter-Rathenau-Straße 21 in Grünheide. Nach der Flucht der Haushälterin von Karl Linke, welche über CIA-Verbindungen verfügte, wurden jedoch auch diese Objekte aufgegeben.

Unter strenger Geheimhaltung bezog die gesamte Verwaltung Aufklärung Ende 1957 ihr neues Domizil in der Regattastraße 12-28 in Berlin-Grünau. Auf Anweisung von Verteidigungsminister Stoph durfte das Objekt über keine sichtbaren Masten für Sendeanlagen verfügen und sollte äußerlich wie eine Fachschule oder Institut wirken. Hier wurde der Name „Verwaltung für Koordination“ verwendet.

Nach der Flucht von Oberstleutnant Siegfried Dombrowski im August 1958 nach West-Berlin musste jedoch auch dieses Objekt nach kurzer Zeit aus Sicherheitsgründen aufgegeben und gegen eine Zwischenlösung in der Schnellerstraße 139 in Berlin-Niederschöneweide eingetauscht werden. Aufgrund der dortigen ungünstigen Arbeitsbedingungen und entsprechender Bitten des Chefs der Militäraufklärung, Arthur Franke, stimmte Verteidigungsminister Heinz Hoffmann am 5. Februar 1968 einem Neubau zu. Dieses Objekt in der Oberspreestraße 61 - 63 in Berlin-Köpenick wurde 1972 bezogen und bis 1990 (äußerlich als "Mathematisch-Physikalisches Institut der NVA" gekennzeichnet) von der Militärischen Aufklärung der Nationalen Volksarmee genutzt.[19][15]

Zentraler Funkdienst

Der Zentrale Funkdienst (ZFD) befand sich auf dem Gelände der ehemaligen Junkers Flugzeug- und Motorenwerke in Dessau. Er war das stationäre Aufklärungsorgan der Verwaltung Aufklärung und ging aus dem Funkaufklärungsregiment 2 (FuAR-2) „Hans Jahn“ hervor. Es bestand aus dem

  • Funkaufklärungszentum Kurzwelle (FuAZ KW),
  • Funkaufklärungszentrum Satelliten (FuAZ Sat),
  • Funkaufklärungszentrum Nord (FuAZ Nord) stationiert in Hornstorf/Rüggow,
  • Funkaufklärungszentrum Süd (FuAZ Süd) stationiert in Zella-Mehlis und dem
  • Luftaufklärungszentrum (LuAZ) stationiert in Dresden.

1990/91 übernahm der Zentrale Funkdienst auch die beiden zentralen Aufklärungsobjekte der HA III des MfS/AfNS, nachdem deren Auflösung am Runden Tisch beschlossen worden war. Das waren das

  • Satellitenaufklärungszentrum in Biesenthal nördlich von Berlin und das
  • Richtfunk- und UKW-Aufklärungszentrum auf dem Brocken, Harz.[20]

Abwicklung

In den Jahren 1989 und 1990 wurde im Rahmen der Auflösung des Bereichs Aufklärung und der Nationalen Volksarmee auf Weisung von Rainer Eppelmann, des damaligen Ministers für Abrüstung und Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik, etwa ein Drittel der Aktenbestände vernichtet.[21] Das betraf insbesondere Unterlagen, die [inoffizielle Mitarbeiter im Ausland hätten enttarnen können.

Teile noch vorhandener Materialien wurden durch das Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr 1999 ausgewertet und ebenfalls vernichtet. Die verblieben Bestände sind im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg eingelagert.[22] Am 3. Oktober 1990 wurde das Personal des ehemaligen Bereichs Aufklärung um fast 50 % reduziert, nachdem im März des gleichen Jahres die Umbenennung in „Informationszentrum beim Ministerium für Abrüstung und Verteidigung“ erfolgt war. Das Informationszentrum stellte gleichzeitig seine Arbeit ein, wurde von der Bundeswehr übernommen und dann zum 31. Dezember 1990 vollständig aufgelöst.

Zahlensendungen

Auch bei den Sendungen von G03 ist nach wie vor kein endgültiger Beweis erbracht, dass die Militärische Aufklärung der Nationalen Volksarmee dafür verantwortlich ist. Auch hier sind über die letzten knapp 40 Jahre, nicht zuletzt durch die Bestrebungen der ENIGMA- und ENIGMA2000 - Gruppe, viele Einzelinformationen zusammengetragen worden, die inzwischen ein recht schlüssiges Gesamtbild ergeben. Die finalen Beweise liegen aber bis heute noch nicht vor.

Wie auch für G08 müssen noch einige Fragen geklärt werden:

  • Wo befanden sich die Sender von G03?
  • Wurde am Senderstandort geschlüsselt?

Wie auch für G08 gibt es Stimmen, die den Sendungen von G03 reine Täuschinhalte nachsagen. Grundsätzlich kann diese Möglichkeit nicht völlig ausgeschlossen werden, doch möglicherweise liegt auch hier das Verhältnis zwischen echtem Inhalt und Verschleierung bei jeweils 50%.

Weblinks

Hauptverwaltung Aufklärung

Militärische Aufklärung der Nationalen Volksarmee

Einzelnachweise

  1. Katrin Schoelkopf, Stefan Schulz: Erinnerung an den Terror der Stasi. In: Die Welt. 5. Dezember 2005.
  2. Susanne Leinemann: Stasi-Terror werktags von 9 bis 18 Uhr. In: Die Welt. 8. November 1999.
  3. Siehe bei ddr-wissen.de, Zugriff am 25. August 2008.
  4. 4,0 4,1 [http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/ddr-tausende-ex-spione-der-stasi-offenbar-unentdeckt_aid_653068.html DDR: Tausende Ex-Spione der Stasi offenbar unentdeckt - 6. August 2011
  5. Stasi-Agenten im Westen (Welt-Online 2. Juni 2009)
  6. Geschichte der Spezialkampfführung (Abteilung IV des MfS) – Aufgaben, Struktur, Personal, Überlieferung auf der Website des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen.
  7. Bundesarchiv (Deutschland): DO 104 Regierungsbevollmächtigter / Komitee zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit der DDR (AfNS) Blätter 58 u. 59 klicken, Steuer-Zeile der Blätter ("1, 2, 3,...20") zuvor auf "...60" rollen
  8. Helmut Müller-Enbergs (unter Mitarbeit von Sabine Fiebig, Günter Finck, Georg Herbstritt, Stephan Konopatzky): "Rosenholz". Eine Quellenkritik. Berlin 2007, S. 251; ISBN 978-3-942130-69-1.
  9. Die Maulwürfe, Friedrich-Wilhelm Schlomann, Seite 17
  10. Mil-ND auf DDR-Wissen.de, Abgerufen am 7. Juni 2009
  11. Richter, Walter: Der Mil.-ND der NVA der DDR [...], 2. überarb. Aufl., Frankfurt am Main 2004, S. 26 - 182.
  12. Der SAS- und Chiffrierdienst (Archiv: http://web.archive.org/web/20090207163329/http://freenet-homepage.de/SASundChiffrierdienst/sfbetriebsdienst.html, abgerufen am 14.04.2015
  13. 13,0 13,1 13,2 [url=http://www.nva-forum.de/projekte/download/A20040101_wegmann.pdf Der Beitrag der Militäraufklärung der DDR - Überraschung und Trauma] Autor:Bodo Wegman
  14. 14,0 14,1 Das Bundesarchiv, Ministerium für Nationale Verteidigung/Teilbestand Verwaltung Aufklärung, Aufgaben, Organisation, Koblenz 2005
  15. 15,0 15,1 15,2 15,3 Bodo Wegmann: Die Militäraufklärung der NVA. Die zentrale Organisation der militärischen Aufklärung der Streitkräfte der Deutschen Demokratischen Republik. 2. Auflage. Köster, Berlin 2006, ISBN 3-89574-580-4, S. 110, 112
  16. 16,0 16,1 16,2 16,3 Walter Richter: Der Militärische Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee der DDR und sein Kontrolle durch das Ministerium für Staatssicherheit. Die Geschichte eines deutschen Geheimdienstes. Europäische Hochschulschriften Band 439, 2. überarb. Aufl., Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-631-52020-4
  17. Walter Richter: Der Militärische Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee der DDR und sein Kontrolle durch das Ministerium für Staatssicherheit. Die Geschichte eines deutschen Geheimdienstes. Europäische Hochschulschriften Band 439, 2. überarb. Aufl., Frankfurt am Main 2004, S. 260, ISBN 3-631-52020-4
  18. Bereich Aufklärung: Plan der Aufklärung für den Perspektivzeitraum 1986 bis 1990, 21. August 1985, S. 8
  19. Die Militäraufklärung der Nationalen Volksarmee der DDR Bei Manfred Bischoff.de, Abgerufen am 5. Juni 2009
  20. Der Zentrale Funkdienst (ZFD) (Stand: September 1990), Manfred-Bischoff.de.
  21. Brief von R. Eppelmann an das Justizministerium, auf Vogl-dessau.de
  22. Peter Veleff: Die Schweiz als Spionageziel der DDR-Militäraufklärung? Archiv-URL: http://web.archive.org/web/20150414102057/http://www.isn.ethz.ch/Digital-Library/Publications/Detail/?ots591=0c54e3b3-1e9c-be1e-2c24-a6a8c7060233&lng=en&id=31263