Sender Zeesen

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Der Sender Zeesen ist eine bedeutende historische ehemalige Sendestelle in der deutschen Funkgeschichte. Gemeinsam mit Königs Wusterhausen kann man den Senderstandort Zeesen als Wiege des Rundfunks in Deutschland ansehen, denn neben den großen Anlagen auf dem Funkerberg gab es in Zeesen ebenfalls bedeutende Sendeanlagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sendete das DDR-Regime von Zeesen aus seine Nachrichten an die Spione und Agenten im Ausland.

Sender Zeesen

Zeesen war von 1929 bis 1945 ein Standort von Kurzwellenrundfunksendern, wobei erstmals Tannenbaum-Antennen eingesetzt wurden. Daneben existierte bis 1939 auch ein hölzerner Sendeturm. Von 1927 bis 1939 wurde in Zeesen auch der „Deutschlandsender II“ betrieben, der eine T-Antenne besaß, die an zwei 210 Meter hohen abgespannten Stahlfachwerkmasten aufgehängt war. Der westliche dieser Masten stürzte beim Bau im Jahr 1927 ein, als seine Konstruktion eine Höhe von 40 Metern erreichte. Hierdurch verzögerte sich die Fertigstellung der Sendeanlage um drei Wochen, so dass deren Einweihung erst am 20. Dezember 1927 erfolgte. Beim Start des Deutschlandsenders war dieser der stärkste Rundfunksender Europas (Langwelle, 240 kHz).[1][2] Im Jahr 1929 ging hier der Weltrundfunksender auf Sendung.

Von Zeesen aus sendeten die Nationalsozialisten insbesondere in den arabischen Raum als „Voice of Free Arabism“ VFA und als „Radio Berlin“, auch in Arabisch. An den Sendungen inhaltlich beteiligt waren die Kollaborateure Mohammed Amin al-Husseini und Raschid Ali al-Gailani. Die politische Bedeutung der Sendungen sowie die Inhalte hat Jeffrey Herf ausführlich dargestellt.[3]

Am 26. April 1945 stellten die Techniker des Senders auf Anordnung der Post den Sendebtrieb ein und verließen das Gelände. Dabei ließen sie alle Türen an den Gebäuden unverschlossen. Wenige Stunden später besetzten sowjetische Truppen das Gelände und übernahmen die Anlage unbeschädigt.

Nutzung in der DDR

Auf Anordnung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland wurden die Sender und Antennen in Zeesen vollständig demontiert und als Reparationsleistungen des unterlegenen Deutschlands nach Russland geschafft. Demontage und Abstransport waren zu Beginn des Winters 1945 abgeschlossen. Dann begannen die Sowjets die Gebäude und Antennenfundamente zu sprengen - des gesamte Areal wurde in Schutt und Asche gelegt. Zeesener Bürger konnten daraufhin auf Anfrage bei der Gemeinde Baumaterial aus den Trümmern abtransportieren. Der restliche Schutt wurde als Füllmaterial im Straßenbau in der Umgebung verwendet.

Das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen der DDR plante, das Gelände ab 1958 wieder für den Betrieb eines Kurzwellen-Rundfunksenders zu nutzen, doch diese, bereits weit gediehenen, Pläne wurden durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zunichte gemacht. Die Stasi nahm sich des Geländes an und errichtete ihrerseits eine Kurzwellensendestelle in Zeesen. Bis Anfang 1960 wurde dort eine Funksendestelle aus dem Boden gestampft, die zu den wichtigsten Einrichtungen des MfS gezählt werden kann.

Die Stasi plante, aus Zeesen die verschlüsselten Nachrichten (G08) an seine Agenten in der Bundesrepublik und in Westeuropa zu übertragen. Das Gelände wurde zum Sperrgebiet erklärt und mit einem unter Hochspannung stehenden Doppelzaun umgeben. In regelmäßigen Abständen wurden Suchscheinwerfer errichtet und bewaffnete Patrouillen liefen diesen Doppelzaun entlang. Auf dem Gelände entstanden ein neues Senderhaus, ein Gebäude für die Notstromversorgung sowie einige weitere Gebäude. Die Notstroversorgung bestand aus sechs Diesel-Turbinen-Aggregaten mit einer Leistung von 960 kVA. Im Senderhaus fanden bis 1990 insgesamt 32 Kurzwellensender Platz, die nicht alleine Zahlensendungen in den Westen abstrahlten, sondern auch interne Funkfernschreibkreise des MfS versorgten. Als Sender kamen folgende Anlagen darin unter:

  • 5 Sender Typ sowjetischer KB15/25AD, wassergekühlt, 25 kW
  • 6 Sender Typ VEB Funkwerkt Köpenick KN20, luftgekühlt, 20 kW
  • 4 Sender Typ VEB Funkwerkt Köpenick KN5 E, luftgekühlt, 5 kW
  • 1 Sender sowjetischer Herkunft, luftgekühlt, 5 kW
  • 8 Sender Typ sowjetischer BR3-2M, luftgekühlt, 1,5 kW
  • 3 Sender sowjetischer Herkunft, luftgekühlt, 1 kW sowie
  • 3 Sender Typ VEB Funkwerk Köpenick KN1 E, luftgekühlt, 1 kW

Im Keller des Senderhauses waren zudem sieben Sender deutscher und sowjetischer Herkunft betriebsbereit eingelagert. Daneben befanden sich im Keller die Kühlwasserpumpen, weitere Lagerräume für Ersatzteile sowie Aufenthaltsräume. Auf dem gesamten Gelände standen 65 Rohrmaste mit Höhen zwischen 20 und 35 Metern als Träger unterschiedlicher Antennensysteme, hautpsächlich Rhombusantennen, daneben auch vertikal polarisierte Reusenantennen, horizontal polarisierte LogPer sowie Sperrkreisantennen.

Die über Zeesen ausgestrahlten Zahlenbotschften wurden vom sogenannten „Objekt Keeselberg“ in Wernsdorf aufbereitet und per Kabel nach Zeesen in die Sender zur Modulation eingespeist[4].

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik übernahm die Deutsche Telekom das Gelände. Zunächst blieb unklar, wie die Anlage weiter genutzt werden sollte, bis dann 1993 mit der Demontage der Kurzwellentechnik begonnen wurde. Inzwischen hat die Telekom das Gelände verkauft.

Newtopia

Der Privatsender Sat.1 produzierte von Februar bis Juni 2015 die Reality Show Newtopia auf einem zum ehemaligen Sender Zeesen gehörenden Geländeteil.[5]

Quellen

Einzelnachweise

  1. Meyers Enzyklopädisches Lexikon. Bd. 6, S. 697, Mannheim 1972
  2. Peter Manteuffel: In: Wie der Rundfunk in Deutschland begann. ELRO Verlagsgesellschaft mbH, Königs Wusterhausen 1994, S. 24
  3. Jens Rosbach: Nazi-Propaganda auf Arabisch. Neue Untersuchungen zum Antisemitismus des NS-Auslandsrundfunks. In: Deutschlandradio Kultur, 8. Oktober 2010 (mit Bezugnahme auf den „Weltrundfunksender Zeesen“). Abgerufen am 13. April 2012.
  4. Betreiber des Zahlensenders G08 in diesem Wiki
  5. Das Format „Newtopia“ auf der Homepage von SAT*1, abgerufen am 05.07.2018