Telegrafie

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Telegrafen-Reliefschreiber, 1861, gebaut von Siegfried Marcus

Als Telegrafie (auch Telegraphie geschrieben, von altgriechisch τῆλε tēle „fern“ und γράφειν gráphein „einritzen, schreiben“) wird eine Übermittlung von codierten Nachrichten über eine geographische Distanz bezeichnet, bei der keine Objekte zwischen Sende- und Empfangsort bewegt werden und deren Anfänge bis ins Zeitalter der Antike zurückverfolgt werden können. Hierbei werden die Bestandteile eines zu übermittelnden Textes (wie Buchstaben, Ziffern und Satz- und ähnliche Zeichen) als einzelne Zeichen übertragen. Im Gegensatz zum Sprechfunk und der Telefonie wird bei der Telegrafie nicht gesprochen, sondern die Zeichen werden über einen Code übertragen. Eine übertragene Nachricht hieß telegrafische Depesche und ab 1852 auch Telegramm (von altgriechisch tēleγράφēμ).

Es bestehen verschiedene Formen der Telegrafie, die älteste ist die optische Telegrafie, bei der die Codes von Menschen noch manuell erzeugt und ausgewertet wurden. Besondere Telegrafen waren früher neben dem optischen Telegrafen (auch Semaphor genannt) die Feuer-, Feld-, Eisenbahn-, Haus- und Schiffstelegrafen. Bei der jüngeren, der elektrischen bzw. elektromagnetischen Telegrafie, bei der die Zeichen bereits in Form von Morsezeichen übertragen wurden (dementsprechend auch Morsetelegrafie genannt), war dies ebenfalls noch notwendig. Erst mit dem Zeigertelegrafen und später dem Fernschreiber wurde die Buchstabenkodierung automatisch durchgeführt.

Je nach technischem Entwicklungsstand der verwendeten Geräte wuchsen die überbrückbaren Entfernungen, besonders mit den Erfindungen Unterseekabel und Funkentelegrafie im Ausgang des 19. Jahrhunderts. Spätestens um das Jahr 2000 endete aber die Verwendung von Telegrafietechnik in fast allen Bereichen wie kommerziellen Anwendungen und im Verkehrswesen, wie im maritimen Bereich beispielsweise im Seefunk. Im Amateurbereich und teilweise zur militärischen Nachrichtenübermittlung wird die Telegrafie bis in die Gegenwart genutzt.

Optische Telegrafie

Gemälde (1820) mit einem Chappe-Signalturm auf dem Montmartre.
Signalmann der US-Navy (2003).

Im griechischen Drama Agamemnon wird eine Form von Telegrafie mit optischer Übertragung erwähnt. In der Neuzeit wurden ebenfalls Geräte entwickelt, die einen optischen Übertragungsweg benutzten, allerdings nicht mehr in der historischen Form per Feuer- oder Rauchsignalen.

In Europa begann das Zeitalter dieser moderneren Optischen Telegrafie im 17. Jahrhundert. Sehr erfolgreich wurde das Turmsystem Claude Chappes. In Frankreich gabe es beispielsweise über 500 Stationen. Die Übertragung einer Nachricht über eine Strecke von 20 Stationen dauerte lediglich etwa 2 Minuten. Die aufkommenden Techniken der elektrischen bzw. Funkentelegrafie im 19. Jahrhundert lösten die Optische Telegrafie ab.

Dennoch gibt es bis in die Gegenwart verschiedene Verfahren bei denen der optische Übertragungsweg noch immer Anwendung findet, beispielsweise mit Lichtsignalen insbesondere bei Marineschiffen.

Kabelgebundene Telegrafie

Elektrische Telegrafie

Elektrischer Telegraf
Telegrafenleitungen 1901

Pionierleistungen

Die kabelgebundene, sogenannte elektrische Telegrafie konnte sich erst nach 1730 durch die Erkenntnis, dass sich elektrischer Strom entlang eines Leiters bewegt, und der Erfindung der Voltaschen Säule durch Alessandro Volta im Jahr 1800 entwickeln.

Einer der ersten Pioniere auf dem Gebiet der elektrischen Telegraphie war der aus Barcelona stammende Arzt, Meteorologe und Physiker Don Francisco Salva Campillo (1751–1828). Salva führte sein System 1795 der Reial Acadèmia de Ciències i Arts de Barcelona vor. Salvà meinte damals schon, es würde eines Tages möglich sein, elektrische Impulse auch drahtlos zu übertragen.

Der Anatom Samuel Thomas von Soemmerring konstruierte 1809 in München einen elektrischen Telegrafen, bei dem jedes Zeichen durch einen eigenen Leiter übertragen und durch elektrochemische Zersetzung des Wassers signalisiert wurde. Ein Modell seiner Konstruktion befindet sich heute im Museum für Kommunikation in Frankfurt/M., das Original steht im Deutschen Museum in München.

Nach den Forschungsarbeiten Michael Faradays zur elektromagnetischen Induktion im Jahre 1832 führten Wilhelm Eduard Weber und Carl Friedrich Gauß 1833 Versuche mit einem elektromagnetischen Telegrafen durch. Im selben Jahr gelang ihnen die erste telegrafische Nachrichtenübertragung vom Physikgebäude bei der Paulinerkirche in der Göttinger Innenstadt zur Göttinger Sternwarte. Zur Nachrichtenübertragung dienten positive oder negative Spannungspulse, die durch gezieltes Umpolen und Auf- und Abbewegen einer Induktionsspule erzeugt wurden. Die Spule wurde hierzu über ein Bündel von magnetisierten Stahlschienen geschoben. Ein Nachbau, den Weber für die Weltausstellung 1873 in Wien in Auftrag gab, wird in der historischen Sammlung des Ersten Physikalischen Instituts der Universität Göttingen aufbewahrt. Ein weiterer Nachbau befindet sich in der Telekommunikationsabteilung des deutschen Museums in München.

1835 entwickelte Paul Freiherr Schilling von Canstadt in St. Petersburg einen Nadeltelegrafen, der durch die Ausschläge einer kompassähnlich gelagerten Magnetnadel die Ziffern 1 bis 10 angab. Diesen sah der Engländer William Fothergill Cooke 1836 in Heidelberg. Zusammen mit Charles Wheatstone schuf dieser daraufhin 1837 die erste betriebssichere Signalleitung für eine Eisenbahnstrecke in England. Diesem System entspricht der erste öffentlich genutzte elektrische Telegraf in Deutschland auf der ersten längeren europäischen Linie Bremen-Bremerhaven.

Carl August von Steinheil konstruierte 1836 den ersten Drucktelegrafen, baute 1837 in München eine 5 km lange funktionierende Telegrafie-Verbindung und entdeckte 1838 bei Versuchen an den Gleisen der Bayerischen Ludwigsbahn in Fürth die elektrische „Erdrückleitung“, was für die Telegrafie eine wesentliche Vereinfachung bedeutete.[1] Er übermittelte Nachrichten mit Hilfe eines eigenen Codes (Steinheilschrift).

Telegrafie mit Morsezeichen

Ein nachhaltiger Fortschritt kam 1837 mit dem von Samuel Morse konstruierten und 1844 verbesserten Schreibtelegrafen. Um 1850 hatte sich Morses Technik auf den deutschen Telegrafenlinien, die sich in wenigen Jahren zu einem zusammenhängenden Netz geschlossen hatten, durchgesetzt.

Mit der Verlegung von Seekabeln wurde 1850 begonnen (Dover–Calais). Der erste Versuch, ein Seekabel zwischen Europa und Nordamerika zu verlegen, gelang 1858 – das Kabel funktionierte jedoch nur einige Wochen und musste dann als unbrauchbar aufgegeben werden. Erst 1866 – nach weiteren kostspieligen Fehlschlägen – wurde eine dauerhafte Telegrafenverbindung von Valentia (Irland) nach Heart's Content (Neufundland) hergestellt.

Eisenbahnen- und Telegraphendichte der Erde, Karte um 1900

Im Jahr der Erfindung des elektrischen Telegrafen (1833) begann Israel Beer Josaphat aus Kassel in Göttingen seine Banklehre. Er begriff die Möglichkeiten der Erfindung und baute unter dem Namen Paul Julius Reuter ab 1851 von London aus die Nachrichtenagentur Reuters Telegraphic Comp. Incorporated auf.

Um 1870 waren große Teile der Erde schon verkabelt. Weil es nur wenig Erfahrung mit der Lebensdauer insbesondere von Tiefseekabeln gab, bauten die Kabelbetreiber immer weiter. Zwischen den Telekommunikationsministerien der Länder wurden Verträge über Nutzung und Weiterleitung geschlossen. Häufig musste man wegen defekter eigener Telegrafiekabel auf die anderer Nationen ausweichen. Der Hauptgrund für eine sich verschlechternde Übertragungsqualität war die Korrosion der Isolierung der Kupferadern. Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Nutzung der Telegrafie stark zu. So liefen zum Beispiel 1871 in einer typischen Woche etwa 60.000 telegrafische Nachrichten über die britischen Postämter, ein Jahr später waren es bereits über 200.000.[2]

Drahtlose Telegrafie

Telegrafie per Funk

Die New York Times nutzte im Juni 1913 die drahtlose (wireless) Marconi-Technik, um Informationen aus Paris nach New York zu transportieren

Der deutsche Physiker Ferdinand Braun bekam 1909 den Nobelpreis für Physik für seinen Beitrag zur Entwicklung der Telegrafie per Funk. Er teilte sich den Preis mit Guglielmo Marconi.

Braun hatte bereits am 20. September 1898 eine „Funkenverbindung“ am Physikalischen Institut in Straßburg aufgebaut, die kurz darauf 30 km bis in den Vogesenort Mutzig reichte. 1899 errichtete er von Cuxhaven aus eine 3 km bis zur Kugelbake reichende Funkverbindung. Am 24. September 1900 wurde eine solche Verbindung über die 62 km lange Strecke Cuxhaven–Helgoland geschaffen.

Morsetaste (1904)

Marconi errichtete 1899 die erste kabellose Verbindung über den Ärmelkanal. Am 12. Dezember 1901 gelang die erste transatlantische Funkübertragung zwischen Poldhu (Halbinsel he Lizard, Cornwall) und St. John’s (Neufundland).

Für die Funktelegrafie wurden ab 1908 vorwiegend „Löschfunkensender“ verwendet. Diese Geräte bestanden aus einem Wagnerschen Hammer und Kondensatoren, die Serien von Funken und dabei starke Hochspannungsimpulse erzeugten. Diese wurden mit Hilfe einer Morsetaste nach dem Morsecode getaktet, in eine Antenne eingespeist und in die Atmosphäre als elektromagnetische Wellen (Funkwellen) abgestrahlt. Mit einem einfachen Empfänger (Fritter) konnten dann diese Impulse empfangen und als hörbares Rauschen wiedergegeben werden.

Diese Erfindung wurde schnell von den Marinen als wichtig erkannt und eingeführt.

Lichttelegrafie

Eine drahtlose Übertragungstechnik wie sie auch die Funkentelegrafie anwendet, ist die Lichttelegrafie. Sie entstand infolge der Erfindung des Photophons von Alexander Graham Bell und Charles Sumner Tainter aus dem Jahre 1880[3]. Hierbei wurden Buchstaben und Ziffern als akustische Morsesignale in einem mit Selenzelle erzeugten und mehreren Spiegeln abgelenkten und dann gebündelten Lichtstrahl gesendet. Durch Siemens & Halske in Deutschland und in Großbritannien im Auftrag der Admiralität erfolgte 1916 bis 1917 im Ersten Weltkrieg jeweils das Entwickeln militärischer Photophone mit einer speziell Kombination aus u. a. Spiegel, Bogenlampe für eine Distanz von bis zu 15 Kilometern[4][5].

Auch im Zweiten Weltkrieg kam es nochmals zum Einsatz von Geräten basierend auf dem Photophonprinzip. Bis in die Gegenwart entwickelten Technikamateure das Prinzip mittels Laser-, Infrarot- und jüngst LED-Technik weiter und erreichten dabei Übertragungen von Entfernungen bis etwa 100 Kilometer.

Endgeräte und Telegrafiearten

  • Schreibtelegraf (ab 1833) – ein Aufzeichnungsgerät der Morseschrift
  • Estienne-Apparat (ab ????) – eine andere Form des Schreibtelegrafen
  • Zeigertelegraf (ab 1839) – ein einfach zu bedienendes Telegrafiegerät
  • Akustische Telegrafie
  • Typendrucktelegraf (ab 1884?) – ein Telegrafiegerät mit Buchstabentastatur
  • Bildtelegrafie (ab 1901) – ein Vorläufer des Faxgerätes
  • Hellschreiber (ab 1929) – ein Fernschreiber auf Basis von Bildpunkten
  • Fernschreiber (ab 1933) – ähnelt einer Kombination aus Schreibmaschine und Telefon, wurde bis 2007 über das Telex-Netz genutzt

Verwandte Themen

  • Telegrafenkongresse stimmten im 19. Jahrhundert die länderübergreifende Telegrafie ab.
  • Telegrafenschulen waren ebenfalls im 19. Jahrhundert nötig, um in der noch komplizierten Technik auszubilden.
  • Telegrafentruppen sind militärische Einheiten zur Telegrafie.

Literatur

  • Patrice Flichy: Tele – Geschichte der modernen Kommunikation. (Originaltitel: Une histoire de la communication moderne, übersetzt von Bodo Schulze) Campus, Frankfurt am Main / New York, NY 1994, ISBN 3-593-35011-4
  • D. Kasten: 100 Jahre Telegraphenamt Hamburg. In: Postgeschichtliche Blätter, Gesellschaft für deutsche Postgeschichte, Hamburg, 1968 ISSN 0722-4354
  • Alfred Löhr: Elektrische Nachrichtentechnik. In: Bremen wird hell - 100 Jahre Leben und Arbeiten mit Elektrizität, Hausschild, Bremen 1993, S. 301–319 (zu den otischen und elektrischen Telegrafen in Bremen) ISBN 3-926598-95-6
  • Franz Pichler: Elektrisches Schreiben in die Ferne: die Telegrahie in Österreich; technische Entwicklung 1846–1906. Trauner, Linz 2007, ISBN 978-3-85499-204-2 (= Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik; Band 12).
  • Tom Standage: The Victorian Internet. Berkley Trade, 1999, ISBN 0-425-17169-8 (dt.: Das viktorianische Internet: die erstaunliche Geschichte des Telegraphen und der Online-Pioniere des 19. Jahrhunderts, übersetzt von Annemarie Pumpernig. Midas, St. Gallen, Zürich 1999, ISBN 978-3-907100-72-1)
  • Horst A. Wessel: Die Entwicklung des elektrischen Nachrichtenwesens in Deutschland und die rheinische Industrie. Von den Anfängen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, Steiner, Wiesbaden 1983, ISBN 3-515-03324-6 (= Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Beiheft 25; zugleich Dissertation an der Universität Bonn 1979)
  • K. Ulrich: Die Anfänge der Kabeltelegrafie. In: Ausbau, Heft 3/1960, S. 222–232, Paul-Christiani-Verlag, Konstanz 1960

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Carl August von Steinheil: Benutzung der Eisenbahn bey Anlage galvanischer Telegraphie. Bericht an das Kgl.General-Conservatorium in München 1838; Archiv für Post und Telegraphie: Zum Andenken Steinheils. Berlin, Juli 1888, No. 13; Abdruck beider Schriften in: Rundfunk und Museum. Zeitschrift des Rundfunkmuseums der Stadt Fürth. Heft 72, März 2010. S. 25 ff.
  2. The Mechanics' Magazine, Museum, Resister, Journal and Gazette, London, 1872. S. 31
  3. Lichttelegraphie In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 520.
  4. A.O. Rankine „On the Transmission of Speech by Light". Physical Society of London, Volume 31. London, 1919. S. 242ff.
  5. Mike Groth „Photophones Revisted” In: Zeitschrift Amateur Radio publiziert vom Wireless Institute of Australia. Melbourne, April/Mai 1987 S. 12ff bzw. S. 13ff.

Quelle