Zeitzeichensender

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Sender Mainflingen bei Frankfurt am Main, u. a. mit dem Zeitzeichensender DCF77 (Langwelle)

Als Zeitzeichensender wird eine spezielle Sendeanlage bezeichnet, die die aktuell gültige Zeit als Information in maschinenverarbeitbarer (digitaler) Form ausstrahlt. Mit geeigneten Uhrenanlagen beziehungsweise Empfangseinrichtungen kann dieses Signal empfangen werden, so dass eine zuverlässige und automatische Einstellung der empfangenden Funkuhren erreicht wird.

Je nach Erfordernis kann ein Zeitdienst und sein Zeitzeichensender nur zu bestimmten Betriebszeiten – wie das russische Beta-System – in Betrieb sein, oder 24 Stunden täglich, wie der deutsche Langwellensender DCF77 oder der französische Sender Allouis. Zu Servicezwecken gibt es regelmäßige, kurze Sendepausen.

Die meisten Zeitdienste senden eine fortlaufende Reihe von „Sekundenpunkten“, die zur Sekunde 0 (bzw. 59) eine Minutenkennung aufweisen. Manche Dienste (zum Beispiel in Russland) senden neben Sekunden- zeitweilig Zehntelsekundenpunkte. Meist kodieren die Sender weitere Informationen wie Stunde, Kalenderdatum, Wochentag oder die Zeitkorrektur dUT1 wegen unregelmäßiger Erdrotation.

Allgemeines zu Zeitsignalen

Moderne Zeitsignale haben eine sehr hohe Genauigkeit, die bis zu Nanosekunden reicht (Milliardstel Sekunden). Diese Genauigkeit lässt sich jedoch nur nutzen, wenn die Laufzeit des Funksignals vom Sender bis zum Empfänger berücksichtigt wird – das heißt etwa 1 Millisekunde (0,001 s) pro 300 km Distanz.

Die Zeitzeichen werden wegen der großen Reichweite meist im Bereich der Lang-, Mittel- oder Kurzwellen gesendet. Es gibt aber auch einzelne Funkdienste auf Ultrakurzwelle (UKW) und im Übergang von Lang- zu Längstwellen, sowie mittels Satelliten im hohen Frequenzbereich der Mikro- und Dezimeterwellen. Zeitinformationen zu Navigationszwecken wurden früher durch LORAN-Sender ausgestrahlt, die jetzt durch moderne Navigationssatelliten, insbesondere GPS, GLONASS und dem entstehenden Galileo-System, ersetzt werden.

Vor allem in der vordigitalen Zeit (bis in die 1970er Jahre) wurden auch die Trägerfrequenzen einiger Rundfunksender als Frequenznormale ausgewertet. Die Sender sendeten also ein normales Radioprogramm, und der Zeitempfänger synchronisierte sich lediglich auf diese Trägerfrequenz, und die Zählung der Schwingungen musste dann vor Ort selbst vorgenommen werden. Ein Beispiel für so einen Frequenznormalsender war Radio Hilversum in den Niederlanden.

Alternative Zeitsignaldienste

Weitere elektronisch auswertbare Quellen für Zeitinformationen gibt es im Radio Data System von UKW-Hörfunksendern (als Begleitinformation zum normalen Hörfunkprogramm) sowie in den Videotext- und EPG-Daten von Fernsehsendern. Weiter gibt es im Internet Zeitserver mit dem Network Time Protocol, über die man die Uhr im eigenen Rechner synchronisieren kann.

Überholt sind die öffentlichen Telefon-Zeitdienste. Sie bleiben in der Präzision hinter den Funkdiensten zurück.

Handys können eventuell Zeitinformationen über das Mobilfunknetz empfangen und anzeigen.

Zur Technik der Zeitzeichensender

Die Rundfunksender der Zeitdienste überspannen einen Bereich des Radiofrequenzbandes von etwa 25 kHz bis 30 MHz, also Lang-, Mittel- und Kurzwellen. Zählt man den GPS-Zeitdienst dazu, sind sogar Frequenzen im GHz-Bereich vertreten.

Von der Wellenlänge hängt einerseits die Funkreichweite des Signals ab, andererseits die erforderliche Antennengröße und Betriebsenergie. Die Systeme sind so ausgelegt, dass zwar der Zeitzeichendienst aufwendig ist, weniger hingegen seine Benutzung.

Für einen Zeitzeichendienst muss nicht unbedingt ein eigener Radiosender betrieben werden. Die relevanten Informationen können auch mit Hilfe des AMDS über herkömmliche Rundfunksender im Lang-, Mittel- oder Kurzwellenbereich übertragen werden. Von dieser Möglichkeit macht ein französischer Zeitzeichendienst Gebrauch, der den Langwellensender von France Inter in Allouis (Sendefrequenz: 162 kHz) nutzt. Auch Österreichs Ö1 (UKW) und ein italienischer Zeitzeichendienst am Mittelwellensender Mailand (Sendefrequenz: 900 kHz) bieten ähnliches an. Ferner kann man Zeitinformationen aus den Signalen vieler Navigations-Systeme wie LORAN-C und GPS entnehmen.

Alle wichtigen Zeitsignaldienste sind mit höchster Präzision vernetzt, sodass sie weltweit (von der Signallaufzeit abgesehen) im Bereich weit unter Nanosekunden übereinstimmen – siehe die Zeitsysteme UTC („Weltzeit“), Internationale Atomzeit (TAI), Dynamische Zeit (TD) und die Koordination durch den internationalen Erdrotations-Dienst Internationaler Erdrotationsdienst (IERS). Daher ist auch auf Nutzerseite eine hohe Genauigkeit garantiert:

Auf elektronischem Wege sind Genauigkeiten bis zu Nanosekunden keine Ausnahme; bei den heute in der Geodäsie benützten GPS-Empfängern sind bereits Systeme zur Zeitanalyse auf mindestens 0,1 ns (10-10 Sekunden) eingebaut, was bei der Lichtgeschwindigkeit von 299792 km/s nur 3 cm ausmacht.

Die klassischen Zeitzeichensender sind im allgemeinen mit genauen Atomuhren gekoppelt, die durch spezielle Verfahren laufend mit jenen der anderen Zeitdienste verglichen werden. Dazu können zum Beispiel die internen Schaltcodes von Fernsehsignalen dienen, oder die LORAN-Funkfeuer der Langstreckennavigation. Auch direkte Standleitungen werden dafür verwendet, oder der Zeitvergleich mittels Erdsatelliten.

Bis in die 1950er-Jahre wurden viele Sender durch astrometrische Messungen von Sterndurchgängen gesteuert, und bis circa 1975 mit dieser Technik kontrolliert. Seither wurden derart genaue Atomuhren entwickelt, dass die Genauigkeit der Astrometrie (mit etwa 0,0005 Sekunden) nicht mehr ausreichte und durch Satellitenmethoden ersetzt werden konnte. Damit ist das internationale Zeitsystem – die „Atomzeit“ TA (Temps Atomique) ununterbrochen auf mindestens Nanosekunden genau definiert.

Die von der NIST betriebenen US-amerikanischen Zeitzeichensender WWV, WWVB und WWVH senden ihre Zeitzeichen in dem Standard IRIG H.

Eine Vorstufe der Zeitzeichensender bilden die Frequenznormale, die eine hochgenaue Schwingungsfrequenz zur Verfügung stellen. Der Empfänger muss dann nur einmal (auf anderem Wege) auf die korrekte Zeit eingestellt werden und zählt ab dann die Schwingungen des Frequenznormals, um seine Zeit zu aktualisieren. Als Zeitnormal dienen einerseits Rundfunksender mit ihrer Trägerfrequenz, beispielsweise ein Langwellensender mit exakt 150 kHz, andererseits wird auch das Stromnetz mit seinen 50 bzw. 60 Hz eingesetzt. Im letzteren Fall dient eine Synchronuhr als „Empfänger“. Diese Technik ist in vermindertem Umfang bis heute im Einsatz.

Geschichte

In Deutschland wurden 1906 am Königlich Geodätischen Institut Potsdam Versuche durchgeführt, die die Anwendbarkeit der Funktelegrafie zur Längengradbestimmung zum Inhalt hatten. Ab etwa 1908 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges gab es internationale Bestrebungen für ein gemeinsames Zeitzeichen. Aus dem Jahr 1912 ist überliefert, dass die deutsche Küstenfunkstelle in Duala (Kamerun) an der drahtlosen Längengradbestimmung bei Grenzregulierungen in Afrika beteiligt war.

Das erste funktelegrafische Zeitzeichen wurde 1907 aus der Camperdown Signal Station, Halifax gesendet. Die erste deutsche Funkstelle mit Zeitzeichen war die Küstenfunkstelle Norddeich Radio, der Sendebetrieb startete 1910. Ab März 1910 wurden täglich zwei Zeitzeichen der GMT gesendet.

Von 1917 an übernahm die Großfunkstelle Nauen die Aussendung des Signals, die Auslösung erfolgte zunächst von der Sternwarte Bergedorf aus, später von der Deutschen Seewarte in Hamburg. Die Auslöseuhren in Hamburg lieferten ein derart genaues Signal, dass die tägliche Korrektur durch astronomische Präzisionsuhren nur wenige hundertstel Sekunden betrug. Als Empfänger für das Nauener Signal wurden Geräte vertrieben, die fest auf 3100 m Wellenlänge eingestellt waren. Hierzu waren Einzelgenehmigungen von der Reichs-Telegrafenverwaltung erforderlich.

Ein Telefunken-Zeitzeichenempfänger vom Anfang der 1920er Jahre beispielsweise trug die Bezeichnung E49b. Weltweit sendeten im Jahr 1923 45 Stationen das Welt-Zeitzeichen.[1]

Nachdem die Stadt Wien 1987 die erste öffentliche Uhr mit DCF-77-Empfänger installierte,[2] stellt sie seit 2002 auf GPS um, welches unempfindlicher gegen den heutigen Elektrosmog und Funklöcher ist.[3] Die Sommerzeitumstellung wird durch eine Zeittabelle in der Steuerungslogik geregelt.[4]

Liste von Zeitzeichensendern

  • Der derzeit einzige im deutschsprachigen Raum steht in Mainflingen bei Frankfurt am Main (Rufzeichen DCF77, 77,5 kHz, amtliche Zeit und Kalenderschaltung von Deutschland)
  • In ganz Eurasien sind auch einige russische Kurzwellen-Sender auf den Frequenzen um 5, 10 und 15 MHz zu empfangen (Signale meist im 0,1-s-Rhythmus).
  • Darüber hinaus bieten viele Telefondienste neben der übliche Zeitansage auch genauer definierte Signale. Sie bestehen meist in fortlaufenden „Sekundenpunkten“, die akustisch Genauigkeiten bis einige Millisekunden zulassen, elektronisch bis etwa Mikrosekunden.

Ehemalige Sender in nächster Umgebung waren:

  • von 1917 bis zirka 1995 in Nauen bei Berlin (Rufzeichen DIZ, erst Langwelle mit 77 kHz, ab 1935 Kurzwelle mit 4525 kHz)
  • von 1966 bis 2011 bei Prangins in der Westschweiz (Rufzeichen HBG, 75,0 kHz, amtliche Zeit der Schweiz)
  • bis zirka 1995 bei Prag in Tschechien (OMA, 50 kHz)

In alphabetischer Reihenfolge

Rufzeichen Standort Frequenzen Beginn Ende
Beta Russland 25 kHz
BPC China 68,5 kHz
BPL China 100 kHz
BPM China, Lintong (Xi'an) 2,5 MHz, 5 MHz, 10 MHz, 15 MHz
CHU Kanada, Ottawa 3,330 MHz, 7,850 MHz, 14,670 MHz
DCF77 Deutschland, Mainflingen 77,5 kHz 1973
DIZ
ab 1980 Y3S
Deutschland, Nauen bei Berlin 4525 kHz (bis 1935: 77 kHz) 1917 ~1995
FTA42, FTA91 Frankreich, Paris und Lyon 7428 bzw. 91.15 kHz (dzt inaktiv?)
HBG Schweiz, Prangins 75 kHz 1966 2011
IBF Italien, Turin 5 MHz
JJY Japan, Berg Ōtakadoya 40 kHz
JJY Japan, Berg Hagane 60 kHz
MSF Großbritannien, Anthorn 60 kHz 1950
NSS USA, Annapolis (Maryland) 21 kHz, 5.870–16.180 kHz ~1990
OMA Tschechien, Prag 50 kHz ~1995
RBU Russland, Moskau 66,66 kHz
RTZ Russland, Irkutsk 50 kHz
RWM Russland, Moskau 4,996 MHz, 9,996 MHz, 14,996 MHz
TDF Frankreich, Allouis 162 kHz 1977
WWV USA, Fort Collins 2,5 MHz, 5 MHz, 10 MHz, 15 MHz, 20 MHz
WWVB USA, Fort Collins 60 kHz
WWVH USA, Hawaii, Kekaha 2,5 MHz, 5 MHz, 10 MHz, 15 MHz
YVTO Venezuela, Caracas 5 MHz

Einzelnachweise

  1. Rudolf Krug: Aus den Anfängen des Zeitzeichens. In: Archiv für deutsche Postgeschichte 2/1974, Frankfurt/M, S.112
  2. Peter Payer: Auf der Höhe der Zeit, diepresse.com, 23. September 2011; Die Presse, 24. September 2011
  3. Christopher Wurmdobler: Fallen die Würfel?, Falter 13/2007 vom 28. März 2007
  4. Uhren um eine Stunde vorgestellt, wien.orf.at, 29. März 2009

Quelle