Sandbox:G03

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Das Wappen der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik

Der Sender G03 war ein Zahlensender, der auch unter dem Spitznamen Gong Station bzw. Chimes Station bekannt wurde. Er wurde durch das Ministerium für Nationale Verteidigung betrieben. Die Hauptaufgabe des Militärgeheimdienstes der DDR war die "Verhinderung der Überraschung durch den Gegner".[1] Dazu hatte der Militärgeheimdienst viele Agenten ins Umfeld und in die Bundeswehr sowie die NATO eingeschleust.

G03 ist einer der bekanntesten Zahlensender überhaupt und war mehr als 20 Jahre in seiner zuletzt bekannten Form auf der Kurzwelle aktiv.

Eckdaten

Name: G03
Familie: XVII
Stimme/Sprache: Young Lady, synthetisch
Spitzname/Bemerkungen: The Gong Station
Modulation: A3E/H3E
Nationalität: DDR DDR
Sprach-Derivate: keine
Morse-Derivate: keine
Status: Inaktiv
Erstmals geloggt: etwa um 1972
Letztmals geloggt: 23. Mai 1990

Klassifizierung

Der Sender G03 ist durch die E2K-Gruppe aufgrund der Sprache (G = German) klassifiziert und wird der sogenannten Family XVII zugeordnet.

Betreiber

Betrieben wurde der Sender durch den Militärnachrichtendienst der Nationalen Volksarmee der DDR. Dieser Nachrichtendienst unterstand dem Stellvertreter des Ministers und Chef des Hauptstabes des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MfNV). Die Truppenaufklärung war im MfNV unter der Bezeichnung "Verwaltung Aufklärung" personell und organisatorisch vom militärischen Nachrichtendienst der NVA bis zum Jahre 1964 getrennt. Bis dahin gab es einen Chef Aufklärung im Hauptstab des MfNV und einen Chef der 12. Verwaltung. Die 12. Verwaltung und die Verwaltung Aufklärung wurden am 1. September 1964 zusammengefasst. Der Chef der neuen Verwaltung Aufklärung war von nun an in Personalunion Chef Aufklärung des Ministeriums für Nationale Verteidigung.[2]

Sie gliederte sich im Jahre 1988 in die vier Organisationselemente "Stab", "Agenturische Aufklärung", "Strategische Aufklärung" und "Operativ-Taktische Aufklärung". Dabei war das Organisationselement "Agenturische Aufklärung" zuständig für die Führung der Agenten und zeichnete daher für den Betrieb von G03 verantwortlich.

Senderstandorte

5-kW-Sender KN5-E von RFT, hier ein Bild aus der Sendestelle Scheuder (Dessau)

Es gilt als gesichert, dass die Sendungen von G03 aus einem Waldstück bei Senftenhütte (Gemeinde Chorin) in Brandenburg kamen.[3][4][5][6][7] Der Ort liegt etwa 20 Kilometer südwestlich von Angermünde.

Der Standort war eine der beiden Stellen des Funkamtes der NVA, im internen Sprachgebrauch der NVA auch Agenturisches Funkzentrum (AFZ) bezeichnet. Das Funkamt selbst hatte seinen Sitz in der Grunowstraße in Dahlwitz-Hoppegarten.[5] Von hier aus wurde der Sender in Senftenhütte unter Mitwirken des Personals in der dazugehörogen Empfangsstelle in Crussow fernbedient. Ausgestattet war die Sendestelle mit 9 Sendern des Typs KN5-E (5 kW Leistung) und weiteren vier Sendern Typ KN20-E (20 kW Leistung). Es ist aktuell nicht bekannt, welche Antennen zum Einsatz kamen.

Die eigentliche zentrale Dienststelle des AFZ befand sich in der Empfangsstelle in Crussow, etwa 8 Kilometer östlich von Angermünde.[5][8]

Es gibt zwar keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dennoch könnte die Sendestelle Scheuder, westlich von Dessau, als Reservestandort in Frage kommen.


Geschichte

Wann genau G03 seinen Betrieb aufnahm ist nicht bekannt. Eine Vorgängervariante von G03 ist seit den 1950er Jahren in entsprechenden Dokumenten aus dem Nachlass der NVA erwähnt. Wie dieser Betrieb ausgesehen hat wird derzeit noch recherchiert. Offenbar ist aber, dass der sogenannte "A3-Funkdienst" schon vor 1960 betrieben wurde.

Erstes Log

Weil der genaue Sendebeginn von G03 nicht bekannt ist gibt es keine exakten Daten über das erste Log.

Es existiert allerdings eine Aufzeichnung von 1973 auf der Webseite von Simon Mason,[9] die aus der Anfangszeit von G03 in seiner zuletzt bekannten Form stammen dürfte.

Letztes Log

Das letzte dokumentierte Log stammt vom 23. Mai 1990. Die Aufzeichnung stammt von Jochen Schäfer und wurde am Abend des besagten Tages um 23:30 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit erstellt. Auf der 3259 kHz war wie gewohnt der Gong aus der Ankündigung zu hören. Doch anstatt der zackigen Matrone mit ihren Zahlen waren offenbar betrunkene NVA-Offiziere zu hören, die das bekannte Kinderlied Alle meine Entchen intonierten. Ob diese Sendung aus Crussow oder aus Berlin stammt ist unbekannt. Es liegt aber nah, dass das Kinderlied in Berlin "eingesungen" wurde und von dort aus direkt auf die Sender gelegt wurde.

Es gibt weitere Bestätigungen zu diesem Datum im Internet, unter anderem im NVA-Forum.[10]

Alle meine Entchen

Das Anstimmen des Kinderliedes Alle meine Entchen kann eine reine Laune des Personals der Sendesteuerung bzw. Verantwortlichen von G03 gewesen sein. Es erscheint aber wahrscheinlich, dass dies eine "scharfe" Nachricht an alle Agenten im Einsatz war. Dabei dient das Lied selbst als einfache Analogie mit den Befehlen an die Feldagenten:

Kindervers Bedeutung
Alle meine Entchen An alle Agenten
schwimmen auf dem See Egal wo Ihr gerade seid
Köpfchen in das Wasser Taucht ab
Schwänzchen in die Höh Ändert Eure Identität

Ob es sich hierbei tatsächlich um eine echte Nachricht handelt bleibt nach wie vor Spekulation und kann nicht belegt werden. Ganz abwegig ist die These jedoch nicht.[3]

Format

Format:G03 Siehe auch Format von Zahlensendungen
Erkennungssignal Präambel Sendung Ende der Sendung
Gongsignal
10 Minuten vor
Sendungsbeginn
Mit Message
ACHTUNG
a1a1a1a1a1-gg

a2a2a2a2a2-gg
a3a3a3a3a3-gg
...
Wiederholung (1)

Nr. Einleitung Text Wiederholung Ende
1. ACHTUNG a1a1a1a1a1-gg
a1a1a1a1a1-gg
ACHTUNG
FFFFF entfällt ENDE
2. ACHTUNG a2a2a2a2a2-gg
a2a2a2a2a2-gg
ACHTUNG
FFFFF entfällt ENDE
X. ACHTUNG axaxaxaxax-gg
axaxaxaxax-gg
ACHTUNG
FFFFF entfällt ENDE Gong
1x gesendet

Legende / Datenformate:

iii / iiiii = ID in der Präambel, 3- / 5-stellig
BB = Buchstaben-ID (nur bei E16/G16)
aaa / aaaaa = "Agent" in der Präambel bzw. Einleitung, 3- / 5-stellig
ddd / dddd / ddddd = „Decodekey“ in der Präambel bzw. Einleitung, 3-/4-/5-stellig
R = Wiederholung (allgemein), R4m = Wiederholung für vier Minuten
ggg = Gruppenzahlangabe, ein- bis dreistellig
tt = Minutenangabe, zu der die Nachricht für diesen Agenten beginnt (nur bei G08)
- = Trennzeichen, bei G03/G08 "Trennung"
/ = Trennzeichen, bei: G11 "Strich", E11/a "Oblique", S11 "Kreska", S11a "Cherta"
fffff = Nachrichtentext, fünfstellige Zahlengruppe, einmal gesendet
FFFFF = Nachrichtentext, fünfstellige Zahlengruppe, zweimal direkt hintereinander gesendet
lllll = Nachrichtentext, fünfstellige Buchstabengruppe, einmal gesendet
LLLLL = Nachrichtentext, fünfstellige Buchstabengruppe, zweimal direkt hintereinander gesendet
nnn / nnnnn = Ende-Null, drei- oder fünfstellig, einmal gesendet
NNN / NNNNN = Ende-Null, drei- oder fünfstellig, zweimal direkt hintereinander gesendet

Anmerkungen:

  • (1): Die Länge der Wiederholung richtete sich nach der Anzahl der in einer Sendung zu versorgenden Agenten.

Dabei bedeutet jeder aufgeführte einzelne Agent eine Wiederholungszeit der Präambel von 0:30. Daraus folgt, dass die Präambel bei zwei Agenten eine Minute dauert, bei drei Agenten anderthalb Minuten, bei vier Agenten dauert die Präambel zwei Minuten usw. Dies sind eigene Beobachtungen des Autors! Andere Quellen gehen von einer immer gleichen Anzahl von Durchläufen der AGL aus, unabhängig von der Anzahl der Agenten. Simon Mason nennt fünf Wiederholungen, basierend auf den Notizen von Langley Pierce. Auf der Portraitseite von G03 bei Priyom wird allerdings behauptet, dass der Gong als Ankündigungssignal nur fünf Minuten gespielt wurde und die AGL selbst auch fünf Minuten gedauert habe. Beides kann als falsch bezeichnet werden.

Sprache und Stimme

Die weibliche Stimme war digital aufgezeichnet, in den Anfängen von G03 aber sicherlich live gesprochen. Die Aussprache war zackig, kam einem Befehlston sehr nah. Dabei waren einige Zahlen äußerst charakteristisch in der Aussprache:

  • die 2 wurde ZWO mit einem sehr kurzen O ausgesprochen ("Zwo!")
  • die 4 klang wie "FIRR"
  • die 8 war so kurz und zackig gesprochen, dass sie wie "AKT" klang
  • die 9 wurde nicht "NEUEN" sondern ganz normal "NEUN" auspesprochen
  • die 0 war in der Stimmlage etwas tiefer als die übrigen Zahlen und war im Vergleich eher gedehnt ("NUHL").

Die Aussprache von "Trennung" mit stark rollendem "R" oder das überbetonte "R" in der Ziffer 4 bei der insgesamt staccatoartigen Aussprache deuten am ehesten auf eine Sprecherin mit tschechischen Sprachwurzeln hin. Möglich erscheint auch eine Person aus dem ungarischen Sprachraum. Klare Erkenntnisse über die ursprüngliche Stimme von G03 sind aber bislang noch nirgendwo aufzufinden gewesen.


Sendeplan

G03 arbeitete wie G08 täglich nach einem festen Sendeplan. Sendungen konnten zur vollen oder zur halben Stunde beginnen, jeweils zehn Minuten vorher durch das Gong-Signal angekündigt. Bekannt sind 3 Frequenzen von G03 die wie folgt genutzt wurden:

Zeit
GZ
 3258 kHz   5410 kHz   6410 kHz 
0900:
X
1000:
X
1030:
X
1100:
X
1130:
X
X
1300:
X
1400:
X
1500:
?(1)
1600:
X
1700:
X
1800:
X
1830:
X
1900:
X
1930:
X
2000:
X
2030:
X
2100:
X
2200:
X
2230:
X
X
2300:
X
2330:
X

Anmerkungen:

  • (1): Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse über diesen Slot vor, aber viele Hinweise im Internet deuten auf eine Sendung zu dieser Uhrzeit hin.

Alle Zeitangaben bezeichnen die gesetzliche Zeit in Deutschland, da G03 den Wechsel zwischen Winter- und Sommerzeit und zurück mit vollzog.


Tondokumente

... Hier kommen die Klangbeispiele hin, sobald die Wikisoftware aktualisiert ist und die Playersoftware eingebunden ist.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bodo Wegman: Der Beitrag der Militäraufklärung der DDR - Überraschung und Trauma. In: NVA-Forum.de. 2004, abgerufen am 26. Dezember 2013 (PDF; 258 kB).
  2. Das Bundesarchiv, Ministerium für Nationale Verteidigung/Teilbestand Verwaltung Aufklärung, Aufgaben, Organisation, Koblenz 2005
  3. 3,0 3,1 Funkempfang Heft 11/2007 Seite 6 bis 8.
  4. NVA-Forum: Nennung von zwei Zahlensender-Standorten in der ehemaligen DDR (26.November 2008), abgerufen 19.05.2015
  5. 5,0 5,1 5,2 NVA-88 2. Ausgabe Dezember 2014
  6. Funksendestelle Scheuder in der NVA-Militäraufklärung, abgerufen am 19.05.2015
  7. Die Sendestelle bei Google Maps - Man kann noch das Senderhaus sehen, Antennen stehen jedoch keine mehr
  8. Die Empfangsstelle AFZ bei Crussow auf Google Maps Man kann eindeutig die beiden Gebäude der ehemaligen Zentrale erkennen
  9. G03 auf der Seite von Simon Mason
  10. Die angeblich letzte Sendung des Bereiches Aufklärung in NVA-Forum, Beitrag vom 2. März 2010, abgerufen am 25.05.2015

Quellen


Besonderer Dank

Mein besonderer Dank geht an OM Thorsten (Citizen5, kein Mitglied von UTDX)), der mir einen enormen Teil der Recherchearbeit abgenommen hat und sich mit diversen Geschichtsquellen auseinandergesetzt hat.

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