Marinefunksendestelle Rhauderfehn
Die Marinefunksendestelle Rhauderfehn mit dem Rufzeichen DHO38 ist ein Längstwellensender der Marine, die dem Marineunterstützungskommando untersteht. Die offizielle Bezeichnung der NATO lautet NATO VLF / MSK Marinefunksendestelle Rhauderfehn. Diesen Namen trägt sie seit dem 18. Dezember 1981. Bei der einheimischen Bevölkerung ist die Anlage unter der Bezeichnung „Die Türme“ bekannt. Sie liegt innerhalb des Naturschutzgebiets „Esterweger Dose“.
Der Sender befindet sich in der Nähe von Saterland-Ramsloh im Landkreis Cloppenburg (Niedersachsen). Durch das Gelände der Marinefunksendestelle verlaufen die Grenzen der beiden Landkreise Cloppenburg und Leer. Fünf Antennen stehen in Ostfriesland, drei auf Cloppenburger Gebiet.
Anlage
Die Masten der Marinefunkstelle gehören zu den höchsten militärisch genutzten Bauwerken des kontinentalen Westeuropas, gleichzeitig sind sie die höchsten begehbaren technischen Bauwerke Europas. Sie stehen mit 352,8 Metern an fünfter Stelle der höchsten Bauwerke in Deutschland. Die acht rot-weißen Masten sind in einer Entfernung von mehr als 30 Kilometern zu sehen.
Das Gelände der Marinefunkstelle umfasst ein Gebiet von etwa 540 Hektar. Das gesamte Gelände ist von einem 12 km langen Sicherheitszaun umgeben und mit einem Wege- und Straßennetz von ca. 26 km Länge erschlossen.
Die besondere Leitfähigkeit des Westermoors spielte bei der Standortwahl eine wichtige Rolle. Der feuchte Boden ermöglicht die für die Abstrahlung von Längstwellen erforderliche gute Erdung, zudem können sich die Längstwellen aufgrund der flachen Geländestruktur optimal ausbreiten. Zur Herstellung einer Sendeverbindung zu getauchten Unterseebooten sind zum einen eine niedrige Sendefrequenz und zum anderen eine hohe abgestrahlte Sendeleistung erforderlich. Nur auf diese Weise ist die benötigte hohe Empfangsfeldstärke zu erreichen. Aus technischen und wirtschaftlichen Überlegungen wurde die Antennenanlage als strahlungsgekoppeltes System errichtet. Um eine hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten, ist die Sendeanlage doppelt vorhanden. Je zwei Antennengruppen mit je vier Antennen, zwei Schutzbauten und zwei Betriebszentralen.
Die gesamte Haustechnik mit der Luft- und Kühlanlage sowie die Wasser- und Stromversorgung sind derart ausgelegt, dass die Marinefunksendeanlage bei Störungen der öffentlichen Versorgung autark ist. Vier Dieselgeneratoren, einer davon als Reservesystem, im Untergeschoss eines jeden Schutzbaues, mit einer Leistung von je 550 kVA, übernehmen bei einem Netzausfall automatisch die komplette Energieversorgung. Im Normalfall wird die Energieversorgung der Sendeanlage durch eine 20-kV-Zuleitung aus dem öffentlichen Netz der EWE AG sichergestellt. Die Trink- und Brauchwasserversorgung wird vom öffentlichen Wasserversorgungsnetz gespeist. Bei einem möglichen Ausfall steht ein Trinkwasserbehälter bereit. Für Kühlkreisläufe, Löschanlagen und die sanitären Einrichtungen stehen je zwei Brunnen mit entsprechenden Pumpanlagen bereit.
Sender
Die Sendeanlage mit ihren acht 100-kW-Sendeverstärkern ist für Längst- (VLF) bzw. Langwellen (LF) mit Frequenzen von 14 kHz bis 50 kHz ausgelegt und sendet zurzeit auf 23,4 kHz mit einer Sendeleistung von 800 kW. Technisch ist es möglich, auf mehreren Frequenzen zu senden. Die Endstufen enthalten (noch) eine Elektronenröhre mit Siedekühlung.
Gesendet werden codierte Meldungen an U-Boote der Marine und anderer NATO-Länder. Aufgrund der sehr niedrigen Sendefrequenz verbunden mit einer hohen Sendeleistung ist der Sender nahezu weltweit und bis zu einer Wassertiefe von etwa 30 m zu empfangen.
Antennen
Der Sender benutzt acht identische Schirmantennen, die jeweils von 352,8 Meter hohen Stahlrohrmasten getragen werden. Jeder Mast hat einen Durchmesser von 2,20 Meter. Die Zylinderkonstruktionen haben dabei, je nach lokaler Beanspruchung, Wandstärken von 8 mm bis 13 mm. Die einzelnen Masten stehen auf jeweils einem etwa 3 Meter hohen zylindrischen Keramikisolator, einem sogenannten Fußpunktisolator, der aus 16 keramischen Vollkernstützen in zwei Ebenen besteht. Der Fußisolator ist für eine Belastung von 4000 Tonnen ausgelegt und kann eine Spannung von 250 kV sicher isolieren. Die Sendemasten werden von je neun Abspannseilen (Pardunen) auf drei Ebenen fixiert. Diese Seile sind auf drei Ebenen und um 120 Grad versetzt um die Masten angeordnet. Die 12 Dachseile sind Teil der Schirmantenne und haben nur geringen Einfluss auf die Mechanik der Antennenabspannung.
Je vier Masten bilden eine gemeinsame Antenne, die oberirdisch nicht miteinander verbunden sind. Die Speisung erfolgt über Koaxialkabel, die vom Sendebunker zu den Abstimmhäusern unterhalb der Masten führen. Dort wird die Leistung der Sender auf die Impedanz der Antennen angepasst und nahe dem Fußpunkt in den Mast eingespeist.
Die Antennenstruktur besitzt, wie bei Sendern bei denen die Antenne sehr viel kleiner als die genutzte Wellenlänge ist, kein ausgeprägtes Richtdiagramm. Die Wellenlänge bei DHO38 ist bei der aktuell genutzten Sendefrequenz 12,82km.
Im Inneren der Antennen sind für Inspektions- und Wartungsarbeiten ein Aufzug und eine Leiter vorhanden. Der Aufzug wird über ein Schneckengetriebe auf und ab bewegt, das in eine im Inneren des Mastes befindliche Zahnstange greift. Eine Fahrt vom Fußpunkt bis zur Dachluke des Sendemastes dauert 18 Minuten. Es ist Vorschrift, dass Personen, die den Aufzug benutzen, Rettungsgeschirr am Körper tragen. Der Aufzug ist für maximal drei Personen vorgesehen. Alle 60 Meter gibt es Gitterebenen im Mast, auf denen Abseilmaterial und Verbandzeug lagert.
Zwischen den drei Abspannpunkten und den aktiven Dachseilen sind an der Außenseite der Masten vier Schwingungsdämpfer (auf den Bildern als Verdickungen zu erkennen), sogenannte Schwingungstilger, angebracht. Diese sind mit einem speziellen Granulat gefüllt und vermindern die Entstehung von Schwingungen, die bereits bei relativ niedrigen Windgeschwindigkeiten auftreten könnten. Sie sind erforderlich für den stabilen Stand der Konstruktion auch bei Sturm. Die Gesamtmasse eines Mastes einschließlich der Einbauten und Seile beträgt je 475 Tonnen.
Abstimmanlagen
Zur Abstimmung der Antennen befindet sich neben jedem Mast ein Antennenabstimmmittel-Haus von der Größe eines kleinen Wohnblocks. Diese enthalten meterhohe Kondensatoren und Induktivitäten sowie anderes Gerät. Damit können die, bezogen auf die Wellenlänge, mechanisch zu kurzen Antennen elektrisch „verlängert“ werden. Die Abstimmmittel dienen der Anpassung des Eingangswiderstandes der Antenne an die Impedanz des Sendeverstärkers.
Erdnetz
Das Erdnetz soll für eine möglichst gute Einleitung des Antennenstromes in den Erdboden sorgen. Um jede der acht Mastantennen sind etwa 30 cm unterhalb der Erdoberfläche 200 Erddrähte strahlenförmig ausgelegt. Diese je 400 m bis 450 m langen Drähte haben einen Querschnitt von 3,5 mm2 und enden in einer 3 m langen Erdungsstange aus rostfreiem Stahl. Als Korrosionsschutz dient ein 1,5 mm starker Bleimantel, der die Beständigkeit des Erdnetzes gegen das aggressive Moorwasser sichert. Die gesamte Bodenfläche rund um den Einflussbereich der Schirmantennen ist vom Erdnetz abgedeckt. Zwischen zwei benachbarten Masten sind die zusammenstoßenden Enden der Erddrähte miteinander verschweißt und nutzen eine gemeinsame Erdung.
Chronik
Datum | Bauabschnitt |
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Januar 1966 | Beginn der Planung |
September 1977 | Beginn der Bauarbeiten |
1. Mai 1982 | Beginn des Probebetriebes |
9. Dezember 1982 | Indienststellung |
1. Januar 1984 | Aufnahme des operativen Betriebes |
Kosten
Bauabschnitt | Kosten |
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Entwicklung | 7,4 Mio DM |
Beschaffung der Geräte | 47,8 Mio DM |
Infrastruktur | 126,6 Mio DM |
Gesamt | 181,8 Mio DM |
Signal
Das Signal von DHO38 ist ein MSK-codiertes Signal mit 200 Baud. Der Sender kann mit jedem Empfänger oder Konverter, der die Frequenz 23,4 kHz aufnimmt, empfangen werden. Ein AM-Empfänger liefert schnelles dumpfes Klopfen, maximal auch ein zirpendes Geräusch.
Da alle Sendungen von DHO38 verschlüsselt sind, da keine Informationen für zivile Nutzer zu übertragen sind, beschränkt sich die zivile Nutzung des Signals von DHO38 auf sehr rudimentäre Zwecke, wie Funkpeilung, Untersuchung der Ausbreitungsbedingungen etwa zur Funkwetterprognose und der Detektion größerer Metallansammlungen im Boden, da diese die Ausbreitungsrichtung und Polarisation der Wellen von DHO38 beeinflussen.
Kritik
Die Marinefunkstelle blieb aus militärischen Gründen lange Zeit ein weißer Fleck auf der Landkarte. Waren die Saterländer 1973 noch froh, dass sie einen an gleicher Stelle geplanten Bombenabwurfplatz verhindert hatten[1], besteht nun die Besorgnis, die durch das Bauwerk hervorgerufene Strahlenbelastung könne eine Gesundheitsgefahr darstellen. Daneben existiert das Risiko, in einem Krisen- oder Kriegsfall ein Angriffsziel darzustellen.
Während der Planungs- und Bauphase des Senders wurden von verschiedenen Organisationen Bedenken über die Umweltverträglichkeit der Anlage geäußert. Durch die äußerst restriktiven Zugangsbeschränkungen haben sich jedoch über die Jahre in diesem Teil des Westermoores viele Tier- und Pflanzenarten angesiedelt, die andernorts nicht oder nur noch selten anzutreffen sind. Der Bund für Vogelschutz gibt an, 34 Brutvogelarten gezählt zu haben.
Zahlreiche Verschwörungstheoretiker ordnen die Sendestelle, wie auch die Marinefunksendestelle Marlow, dem "weltweiten HAARP-Netz" zu, mit dem das Wetter bis zum Einsatz als Kriegswaffe manipuliert werden soll.
Siehe auch
- Längstwellensender HWU (ähnliche Anlage in Frankreich)
- VLF-Sendemast Skelton (ähnliche Anlage in Großbritannien)
- VLF-Sendeanlage in Anthorn
Einzelnachweise
Weblinks
- Commons: Marinefunksendestelle Rhauderfehn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Marinefunksendestelle Rhauderfehn bei Structurae
- Eintrag über Längstwellensender DHO38 bei SkyscraperPage
- Videobeitrag (NDR) zu den Antennen von DHO38 im News-Portal von UTDX.DE