Küstenfunkstelle

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Telegrafie-Arbeitsstation bei Boulogne Radio, Frankreich (1996)
Ehemalige belgische Küstenfunkstelle, ausgestellt im Nationalen Fischereimuseum Koksijde

Küstenfunkstellen (KüFuSt) sind ortsfeste Funkstellen des mobilen Seefunkdienstes, die Nachrichten von und zu Schiffen und Booten auf hoher See telegrafisch oder telefonisch (Sprechfunk) weiterleiten. In Notfällen ist über sie die Kommunikation mit den Rettungskräften möglich.

Bedeutung

Als Seefunkdienst wird der Nachrichtenaustausch mit und zwischen Seeschiffen bezeichnet. Die ortsfesten Funkstellen dieses Dienstes werden „Küstenfunkstellen“, die beweglichen, also die Schiffe, „Seefunkstellen“ genannt. Küstenfunkstellen dienen der Vermittlung des öffentlichen Fernmeldeverkehrs (in diesem Falle Funktelegramme und -gespräche) zwischen den Seefunkstellen und den Fernmeldenetzen an Land. In früheren Zeiten, in denen es noch keinen Satellitenfunk oder Mobiltelefone gab, waren die Reedereien auf den Seefunk angewiesen. Außerdem können die Angehörigen der Schiffsbesatzungen über das normale Telefonnetz und die Vermittlung der Küstenfunkstelle mit ihren Lieben auf See Kontakt aufnehmen.

Aus allen Seegebieten der Erde laufen private Telefongespräche und Telegramme und eine noch größere Anzahl von dienstlichen Angelegenheiten über derartige Funknetze, wie Nachrichten von und an Reedereibüros, Charterer, Schiffsmakler und Hafenbetriebe.

Seit den 1990er Jahren hat sich die Struktur des weltweiten Seefunkes grundlegend verändert und damit auch die Bedeutung von Küstenfunkstellen. Durch die weltweite Abdeckung der Meere durch Navigations- und Kommunikationssatelliten nutzen viele kommerzielle Schiffsbetreiber vor allem das Inmarsat-Satellitentelefonnetz. Die analoge Vermittlung von Gesprächen durch Küstenfunkstellen über weltweiten Kurzwellenfunk entfällt damit und nimmt immer noch weiter ab. In der nichtkommerziellen Seefahrt werden vermehrt die landgebundenen Mobilfunknetze genutzt, da sie in küstennahen Gewässern wie der Ostsee eine brauchbare Abdeckung gewährleisten.

Küstenfunkstellen spielen heute noch in drei wesentlichen Bereichen eine Rolle:

Zum einen sind sie fester Bestandteil des Global Maritime Distress and Safety System (weltweites Seenot- und Sicherheitsfunksystem). Die ununterbrochene Beobachtung der Telegrafie- und Sprechfunk-Notfrequenzen, die Leitung des Not- und Dringlichkeitsfunkverkehrs innerhalb des Seenotbereichs der zuständigen Küstenfunkstelle gehören heute auch meist noch zum Umfang der Arbeit. Ebenso die koordinierte Weitergabe von Informationen über Seenotfälle an die zuständigen Dienststellen und Organisationen der Rettungsdienste. Nach der Einstellung aller öffentlichen deutschen Küstenfunkstellen operiert als einzige nichtprivate Einrichtung das Bremen Rescue Radio (BRR) als Funkstelle des MRCC Bremen (Maritime Rescue Coordination Center) für den GMDSS-Betrieb. Die Zuständigkeiten der ehemaligen deutsche Küstenfunkstellen Norddeich Radio, Kiel Radio und Rügen Radio wurden nach deren Abschaltung von der dänischen Küstenfunkstelle Lyngby Radio übernommen.

Die militärische Seefahrt betreibt meist eigene Küstenfunkstationen (z. B. DHJ58, da sie ihre Kommunikation aufgrund der militärischen Geheimhaltung unabhängig von öffentlichen Netzen halten muss. Die Seestreitkräfte greifen nur teilweise auf kommerzielle und meist auf hoheitlich betriebene Satellitenfunksysteme zurück.

Schließlich kam es nach dem Ende der öffentlichen Seefunkstellen zu einer zunehmenden Kommerzialisierung des Seefunkes. Auch die öffentlichen Küstenfunkstellen erhoben Gebühren, doch sind an ihre Stelle mittlerweile Funkstellen gerückt, die von Kommunikationskonzernen oder Privatpersonen betrieben werden, die z.B. weltweiten E-Mail-Verkehr anbieten und eigene Abrechnungsstellen betreiben. Ein Beispiel hierfür ist das von Swisscom betriebene Bern Radio. In Deutschland bietet die Kiel Radio GmbH verschiedene Dienste an.

Geschichte

Der Seefunkdienst ist einer der ältesten Betriebszweige des Funkwesens. Die ersten Versuche mit drahtloser Telegrafie wurden an den Küsten durchgeführt. Schiffe und Feuerschiffe waren dabei die Träger der ersten Funkanlagen. Das Jahr 1897 gilt als Entstehungsjahr der praktischen Funktelegrafie, denn hier gelang es Guglielmo Marconi das erste Mal am Bristol-Kanal auf eine Entfernung von 5,5 km Nachrichten drahtlos zu übermitteln. Am 10. Dezember 1901 wurde von ihm das erste Morsezeichen (Buchstabe „S“) zwischen England und dem Signal Hill bei St. Johns, Neufundland übermittelt.

Funkversuche in Straßburg

Ab 1898 beschäftigt sich Ferdinand Braun, Rektor der Kaiser-Wilhelm-Universität in Straßburg, erneut mit der Funktechnik. Braun und Hertz waren einander bekannt, denn Hertz war Nachfolger von Braun an der Technischen Universität Karlsruhe. Man hatte nach der Entdeckung der Funkwellen durch Hertz 1887 den Funkwellen keinerlei Bedeutung beigemessen. Zunächst leitete Braun wie andere Forscher auch die Funkwellen in Gewässer ein, ging jedoch rasch zu Luftleitern über. Im Frühjahr 1899 besuchte er Cuxhaven, um die Modalitäten für die Versuche an der See mit den Behörden abzustimmen. Man äußerte Bedenken, dass die Funkwellen möglicherweise die Kompasse der Schiffe stören würden, die auf der Elbe passieren. Die Geschichte des deutschen Seefunks ist mit der Insel Borkum und besonders mit der Stadt Cuxhaven verbunden.

Küstenfunkstelle Borkum

Kleiner Leuchtturm Borkum mit Funkmast

Die Küstenfunkstelle Borkum war die erste Küstenfunkstelle in Deutschland. Auf Initiative des Norddeutschen Lloyds wurden der elektrische Leuchtturm auf Borkum und das rund 30 Kilometer nordwestlich der Insel liegende Feuerschiff Borkumriff mit Marconianlagen zur drahtlosen Telegrafie ausgerüstet, um Schiffsankünfte den Zielhäfen genauer zu melden. Das Feuerschiff Borkumriff meldete die gesichteten Lloyd-Schiffe drahtlos an den Leuchtturm auf Borkum, von dem die Nachricht dann per Kabel nach Bremerhaven weiter telegrafiert wurde.[1] Die Küstenfunkstelle ging am 15. Mai 1900 in Betrieb.

Radarstation und Sendemast

1966 wurde der kleine Leuchtturm Borkum zur Radarstation umgebaut. Nach der Umrüstung wurde im Jahr 1967 neben dem Leuchtturm von der Firma Hein Lehmann ein 55 Meter hoher, in zwei Ebenen abgespannter Stahlfachwerkmast für die Realisierung einer Richtfunkverbindung zur Übermittlung der Radardaten an die Verkehrszentrale des Wasser- und Schiffahrtsamtes in Emden errichtet. 1988 wurde dieser Sendemast um 12 Meter erhöht, so dass seine Höhe heute 67 Meter beträgt.

Funkversuche in Cuxhaven

Hamburger Leuchtturm an der Alten Liebe in Cuxhaven

Zunächst übernimmt Brauns Assistent Cantor die ersten Versuche an der See und wird ab Sommer 1899 durch Jonathan Zenneck abgelöst, der bis zum Ende der Versuche im Herbst 1900 in Cuxhaven ist. Ausgehend vom Leuchtturm (Baujahr 1805) an der Alten Liebe werden neue Schaltungen, Antennen und Anordnungen ausprobiert.

Das Seebäderschiff „Sylvana“ der Nordseelinien wird benutzt, um auf den Fahrten zwischen Cuxhaven und Helgoland die Anlagen an Bord eines Schiffes auszuprobieren. Die Landstation wird später zur Kugelbake nach Cuxhaven-Döse verlegt. Am 24. September 1900 kann der Erfolg gefeiert werden: Braun ist auf Helgoland; spontan aufgefordert, einen Text zu formulieren, der zum Festland drahtlos übermittelt werden soll, dichtet er:

Zum heutigen Feste, der Wünsche beste, trinkt nicht so viel bei Dölle, sonst werdet ihr völle.

Dölle war damals ein bekanntes und beliebtes Hotel in Cuxhaven. An Zenneck wird in Cuxhaven-Döse, direkt am Seedeich in Sichtweite der Kugelbake, durch einen Gedenkstein in Form eines Obelisk erinnert.

Zenneck-Denkmal in Cuxhaven-Döse

Nach dem Erfolg werden die Feuerschiffe in der Elbemündung mit Telegraphiefunkanlagen ausgerüstet und nehmen an einem Schiffsmeldedienst teil. Die Versuche an der Nordsee sind damit beendet und Zenneck kehrt nach Straßburg zurück. Zenneck wird später selbst Professor und hat bedeutenden Anteil an der Erforschung der Ionosphäre; er wird unter anderem Direktor des Deutschen Museum in München. Cuxhaven gilt somit als Wiege des deutschen Seefunks.

1904 wurde an der Alten Liebe in Cuxhaven die „Marinefunkenstation Cuxhaven“ errichtet, die zunächst rein militärischen Zwecken diente. Ab 1906 vermittelte sie auch Telegramme privaten Inhalts von See an die Reichspostverwaltung. Von 1910 an waren neben den Marineangehörigen auch Postbeamte bei dieser Funkstelle tätig. Schließlich übernahm 1912 die Reichspostverwaltung diese Station und betrieb sie seitdem als Küstenfunkstelle für den öffentlichen Seefunkverkehr. Damit beginnt praktisch die Geschichte von Elbe-Weser Radio.

Küstenfunkstelle Norden

Die bekannteste deutsche Küstenfunkstelle war Norddeich Radio: Angeblich auf Anweisung von Kaiser Wilhelm II. wurde ab 1902 der Aufbau einer Küstenfunkstelle betrieben, die den Bereich der Westlichen Deutschen Bucht bis zum Ärmelkanal abdecken sollte. 1907 ging die Anlage in Norddeich in Betrieb.

Küstenfunkstelle Swinemünde

Für den Bereich der Ostsee wurde 1911 in Swinemünde eine Küstenfunkstelle in Betrieb genommen. Sie wurde 1932 unter dem Namen Rügen Radio nach Glowe verlegt und blieb bis 1998 in Betrieb.

Küstenfunkstelle Kiel

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1946 zur Abdeckung des Bundesdeutschen Teiles der Ostsee mit Kiel Radio eine neue Küstenfunkstelle in Betrieb genommen, die bis 1994 bestehen blieb. Zusätzlich zu diesen vier Küstenfunkstellen gab es noch zahlreiche abgesetzte Stationen, die von diesen aus fernbedient wurden.

Ende der amtlichen Küstenfunkstellen für den öffentlichen Verkehr in Deutschland

Mit der zunehmenden Konzentration der Seefunkdienste in den neunziger Jahren unter anderem durch Einführung der Satellitenkommunikation wurden nach und nach immer mehr Küstenfunkstellen geschlossen und sämtliche Dienste erst auf Norddeich Radio zusammengefasst und dann auch dort eingestellt. Am 31. Dezember 1998 wurde in Deutschland der amtliche Küstenfunkdienst endgültig abgeschaltet.

Heute wird die Überwachung der Seefunk-Frequenzen, z. B. auf Notrufe, durch die ehrenamtliche DGzRS (Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) wahrgenommen, die mit ihrem MRCC (Maritime Rescue Co-ordination Centre) in Bremen eine 24-Stunden-Hörwache sicherstellt. Ihr Funkrufname ist Bremen Rescue Radio.

Private Küstenfunkstellen für den öffentlichen Verkehr

Die Schiffsmeldedienst GmbH Hamburg (SMD) begann im Jahre 1998 mit dem Aufbau einer Kette von privaten Küstenfunkstellen, die bis zum Jahr 2000 auf fünf Stationen anwuchs. Zum 1. April 2000 übernahm der ehemalige Geschäftsführer des SMD, Kapitän Reiner Dietzel, die Küstenfunkstellen und ihren Betrieb unter dem Firmennamen DP07 Seefunk. Über die Küstenfunkstellen von DP07 können immer noch Seefunkgespräche ins Telefonnetz vermittelt werden und Telegramme aufgegeben werden. DP07 betreibt elf Küstenfunkstellen (Stand 2007). Die Betriebszentrale befindet sich in Hamburg. Für die Nordsee gibt es abgesetzte Stationen in Accumersiel, Borkum, Bremen, Cuxhaven („Elbe-Weser Radio“) und auf Pellworm („Nordfriesland Radio“)[2]. Für die Ostsee befinden sich die abgesetzten Küstenfunkstellen in Damp („Kiel Radio“)[2], Flensburg, Lübeck, Rostock und in Sagard auf Rügen („Arkona Radio“)[3].

Militärische Küstenfunkstellen

Die Fernmeldeinheiten der Deutschen Marine betreiben nach wie vor eine eigene Küstenfunkstellen. Die Anlagen unterstanden bis zu dessen Auflösung 2002 dem Marineführungsdienstkommando und seither der Führungsunterstützungsgruppe des Marinekommandos. Aus dem ehemals zwei Küstenfunkstellen DHJ58 und DHJ59 ist nur noch erstgenannte übrig geblieben. Der autonome Betrieb bei DHJ59 wurde Ende April 2013 eingestellt.

Bekannt sind folgende Fernmeldezentren (milit. Bezeichnung der KüFuSt):

  • DHJ58 in Glücksburg-Meierwik
  • DHJ59 in Wilhelmshaven-Sengwarden

Dazu sind folgende abgesetzte Sendestellen bekannt:

Listen von Küstenfunkstellen

Liste weltweiter Küstenfunkstellen
Sendername Rufzeichen Land Aktivität
Townsville Radio VZG Australien Mitglied des GLN seit 2006
Darwin Radio VID Australien Betrieb 2002 eingestellt
Ostend Radio (OST) Belgien seit 1930
Portishead Radio (GKB) Großbritannien 1928 bis 2000
Lyngby Radio (OXZ) Dänemark aktiv seit 1924
Bergen Radio (LGN) Norwegen Dienst 2004 auf Rogaland Radio übertragen
Rogaland Radio (LGB, früher LGQ) Norwegen aktiv
Bern Radio HEB u.a. Schweiz aktiv seit 1922
Stockholm Radio SDJ Schweden aktiv seit 1914
San Francisco Radio KFS USA
Shanghai Radio XSG China aktiv
KKL Radio USA aktiv
KPH Radio KPH, KSM USA aktiv
Isfjord Radio Norwegen aktiv seit den 1930er-Jahren
Taupo Radio Neuseeland aktiv
Bodø Radio LGP Norwegen aktiv seit 1938
Liste der deutschen Küstenfunkstellen
Küstenfunkstelle Besetzungszeitraum danach fern-
gesteuert von
SMD ab DP07 ab
Kiel Mail seit Nov. 2000 Kielradio GmbH Initiator des GLN unabhängig
Norddeich Radio 1907–1998      
Rügen Radio 1911–1998 Norddeich Radio ?  
Elbe-Weser Radio 1904–1996 Norddeich Radio ? [4]
Kiel Radio 1946–1994 Rügen Radio [5] [4]
Bremen Radio 1962 sofort Relais[6] Elbe-Weser Radio ? [4]
Hamburg Radio 1959 (?)–1961[6] Elbe-Weser Radio [5] [4]
Eiderstedt Radio 1963 sofort Relais[6] Elbe-Weser Radio ?  
Helgoland Radio ? – ? Elbe-Weser Radio [5]  
Nordfriesland Radio 1963 sofort Relais[6] Elbe-Weser Radio   [4]
Flensburg Radio 1963 sofort Relais[7] Kiel Radio ? [8]
Lübeck Radio 1963 sofort Relais[7] Kiel Radio ? [4]
Rostock Radio 1963[9] – ? Rügen Radio ? [8]
Wismar Radio 1971[9] – ? Rügen Radio ?  
Arkona Radio ? – ? Rügen Radio ? [4]
Fischland Radio ? – ? Rügen Radio ?  
Finkenwerder Radio     [5]  
Cuxhaven Radio     [5]  
Borkum Radio     ? [4]
Accumersiel Radio     ? ?

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

Quelle