G11
Eckdaten von G11 | |
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![]() Wappen des polnischen Militärnachrichtendienstes Służba Wywiadu Wojskowego (SWW) | |
Family (nach ENIGMA / E2k) |
III |
Stimme / Sprechweise | Young Lady, automatisch |
Spitzname / Alias | „(The) Strich“ |
Modulation | J3E |
Nationalität | POL ![]() |
Sprach-Derivate | E11, S11 |
Morse-Derivate | M03 |
Status | inaktiv |
Erstes Log | ca. Mitte 1978 |
Letztes Log | Januar 2014 |
Siehe auch: Liste der Zahlensender |
G11 war ein Zahlensender, der auch unter dem Spitznamen „(The) Strich“ bekannt wurde. Er wird dem polnischen Militärgeheimdienst zugeordnet und war, als vorletzter deutschsprachiger Zahlensender, bis 2014 aktiv.
Klassifizierung
G11 ist durch die ENIGMA-Gruppe aufgrund der Sprache (für G = German) klassifiziert und wird der sog. Family III zugeordnet.
Betreiber
Nach neuesten Recherchergebnissen, auch im Hinblick auf die Zahlensender G02 und G10, kann nun mit Sicherheit angenommen werden, dass polnische Militärgeheimdienste für die Sendungen der Familie III verantwortlich zeichneten. Diese waren:
- für G10 bis 1978 und G11 ab dem selben Jahr bis 1990 der Zarząd II Sztabu Generalnego Wojska Polskiego (wörtlich „Der Vorstand des Zweiten Generalstabs der Polnischen Armee“)
- von 1990 bis 2006 der Wojskowe Służby Informacyjne (WSI) und
- von 2006 bis 2014 dessen Nachfolger der Służba Wywiadu Wojskowego (SWW)
Etliche Veränderungen in der polnischen Geheimdienstlandschaft können an Änderungen bei den Zahlensendern der Familie III abgelesen werden. Dabei sind dies zunächst technische Veränderungen, später auch administrative. Das Verstummen von G11 1997 könnte demnach im Zusammenhang mit dem Beitritt Polens zur NATO am 12. März 1999 stehen. Dann tauchte G11 fast zehn Jahre später wieder auf, nachdem der WSI 2006 per Sejmentscheidung (Stimmverhältnis: dafür 375, dagegen 48) aufgelöst worden war und der Nachfolgedienst Służba Wywiadu Wojskowego (SWW) seine Arbeit aufgenommen hatte. Die Nähe zu Ereignissen dieser Art untermauerten in den letzten 30 Jahren die Annahme, dass der Betreiber der Sender in den Reihen der polnischen Streitkräfte zu suchen ist.
Senderstandorte
Bislang ist nicht vollständig geklärt, von wo die Sendungen der Familie III getätigt werden. In verschiedenen Zahlensendergruppen gab es Hinweise auf eine oder zwei Sendestellen, die jedoch inzwischen bei diesen Quellen nicht mehr verfügbar sind[1]
In einem dazu bei priyom.org am 29.06.2014 veröffentlichten Blogbeitrag heißt es:
Originaltext | Übersetzung |
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|
Nach wie vor erscheint dieser Standort daher am wahrscheinlichsten, wurde aber bislang (Stand Juli 2018) nicht verifiziert. Dadurch bleibt die Standortfrage im Moment noch offen.
Geschichte
Der Sender G10, der als Vorgänger von G11 bezeichnet werden kann, war ab etwa 1965 aktiv und wurde durch den Zarząd II Sztabu Generalnego Wojska Polskiego initiiert. Die Umstellung von G10 auf den Sender G11 geht sehr wahrscheinlich auf technische Gegebenheiten zurück, denn zeitgleich tauchten auch E11 und S11 auf. Möglicherweise steht dies im Zusammenhang mit einem Verkauf eines oder mehrerer sogenannter „Schnatterinchen“ aus DDR-Produktion an den sozialistischen Bruderstaat „Volksrepublik Polen“, mit denen man die Sendungen technisch effektiver machen wollte. Streng genommen wäre damit G11 also eher ein Derivat von G10, aber die Unterschiede zwischen beiden Sendern sind tiefgreifender, so dass eine neue Klassifizierung tatsächlich sinnvoll ist (siehe Format).
Es ist wahrscheinlich, dass vom polnischen Betreiber von G11 in den 1980er Jahren auch mehrere „Eiserne Frauen“ erworben wurden. Dies dürfte kurz nach der Einführung 1985 gewesen sein, denn in diesem Jahr gab es auch Veränderungen bei der Sprechstimme von The Strich (siehe Sprache und Stimme). Diese wurden vom Wojskowe Służby Informacyjne 1990 nach dem Ende des Warschauer Paktes übernommen und wohl bis 1997 weiter verwendet.
Von 1997 bis 2007 war G11 von der Kurzwelle verschwunden und tauchte nach der Auflösung des WSI im Januar 2007 wieder auf[3]. Die dann genutzte Stimme wurde gleichzeitig auch bei den anderen Zahlensendern der Familie III (E11 und S11a) genutzt. Hier lässt sich eine Verbindung zur Auflösung des Wojskowe Służby Informacyjne und der unmittelbar anschließenden Indienststellung des Nachfolgedienstes Służba Wywiadu Wojskowego (SWW) herleiten, in dessen Zuge es zu weiteren technischen Veränderungen bei Familie III kam.
G11 blieb aktiv bis Januar 2014, dann wurden die Sendungen wieder eingestellt. Das letzte Log bei ENIGMA2000 kam von Thomas (tiNG) und stammt vom Freitag, 27.12.2013, 1325 UTC auf 6433 kHz mit „299/32“.[4]
Zu allen Zeiten war es schwer, G11 zu verfolgen bzw. vorherzusagen. Dieser Zahlensender, wie auch seine Sprachderivate, nutzen äußerst kuriose Sendezeiten. Entgegen den meisten anderen Zahlensendern starten die Sendungen der Familie III nicht nur zur vollen oder halben Stunde, vielmehr gibt es „krumme Uhrzeiten“, zu denen Sendungen von G11 und seine Geschwistern starten: h+15, h+20, h+25, h+35, h+45, h+50 und sogar h+55.
Erstes Log
Eine exakte Datierung der ersten Sendung von G11 ist leider nicht mehr möglich. Doch aufgrund von Informationen aus verschiedenen Quellen (siehe unten) kann das Erscheinen dieses Zahlensenders mit heutigem Stand (Juli 2018) auf Juni oder Juli 1978 eingegrenzt werden. Das wäre ein gutes halbes Jahr nach der Abschaltung von G10.
Letztes Log
Verschiedene Quellen nennen die dritte Kalenderwoche 2014 als letztmalige Aufnahme von G11. Ein genaues Datum der letzten Sendung ist unbekannt (Stand Juli 2018)[4].
Format
Sendeformat von G11 | Siehe auch Format von Zahlensendungen | ||||||
Ankündigungssignal | Präambel | Nachricht | Ende der Übertragung | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
keins | Mit Message | ||||||
Einleitung | Message | Wiederholung | Ende | ||||
aaa „Strich“ (g)gg R5m (ab 2007: R3m) |
1. | „Achtung!“ | FFFFF | „Achtung“ fffff |
„Ende!“ | ||
NULL-Message | |||||||
aaa „Strich“ (0)00 R5m (ab 2007: R3m) |
„Ende!“ |
Eine Besonderheit der Dienste der Familie III ist die Gruppenzahlangabe in der Präambel - Empfänger und Gruppenzahlangabe sind durch das Signalwort „Strich (/)“ voneinander getrennt. In den frühen Jahren von G11 war diese Gruppenzahlangabe dreistellig (ggg). Dies galt auch für die sogenannten „NULL-Messages“, wenn also keine Nachrichten vorlagen. Das wurde im Lauf der Zeit geändert, als die Botschaften insgesamt kürzer wurden und sich mehr und mehr im zweistelligen Bereich bewegten, bei „NULL-Messages“ also „/00“.
Die Aussendungen begannen immer ohne ein Ankündigungssignal sondern gleich mit der Präambel (ID Strich Gruppenzahl, z. B. „621/000“). Diese Präambel wurde fünf Minuten gesprochen (ab 2007 nur ca. 3:20 min.), dann folgte bei „NULL-Messages“ direkt das Signalewort „Ende“, sonst die Botschaft, beginnend mit „Achtung“. Es folgten die Zahlen in Form von Fünfergruppen, jeweils zweimal. Nach diesem Durchgang folgte ein erneutes „Achtung“ und die Nachricht wurde wiederholt, die einzelnen Gruppen aber nur einmal verlesen (sogenannter „Single Group Repeat“). Dieses Format wurde bis zum Schluss beibehalten und ist noch heute bei den aktiven Stationen der Familie III zu hören.
Verwendung der ID
Allen Diensten der Familie III ist gemein, dass die in der Präambel vorgetragene ID nicht immer gleich ist. Für einzelne Timeslots bzw. Programmzeiten stehen die ersten beiden Ziffern der ID fest, die dritte Ziffer variiert sehr häufig. Die Bedeutung dieser ID ist daher bislang (Stand Juli 2018) noch nicht eindeutig geklärt. Möglicherweise legen die ersten beiden Ziffern die „Mission“ fest, also den oder die Empfänger, wogegen die dritte Ziffer eine administrative Bedeutung zu haben scheint. Das könnte auf der einen Seite eine Art Vorrang bedeuten, was aber dann die für einen bestimmten Vorrang gesendete „NULL-Message“ nicht erklären würde. Andererseits könnte die dritte Ziffer die Art der Nachricht kennzeichnen (beispielsweise 1=Auftrag, 2=Bestätigung, 3=Rückmeldung, 4=Anordnung, 5=Ankündigung etc.). Da diese letzte Ziffer einer ID variabel war, wurde sie in Vorhersagen mit einer # oder einem * gekennzeichnet.
Einzige bekannte Ausnahme von diesem Muster ist die ID 121, bei der sich die letzte Zahl nie verändert hat. Diese ID wurde schon direkt nach dem Neustart von G11 im Jahr 2007 dokumentiert (siehe → G11#Tondokumente) und wurde eine ganze Zeit lang beobachtet, bevor andere IDs dazu kamen. Daher wurde spekuliert, ob es sich möglicherweise um eine sogenannte „Übungs-ID“ handeln könnte, die zu Schulungszwecken gesendet wird[5]. Andere Spekulationen gehen in den Bereich der Informationen für „alle Stellen“, quasi eine Art allgemeiner Informationen für alle von G11 versorgten Missionen. Interessanterweise wird die ID seit der Abschaltung von G11 nun bei E11 weiter verwendet.
Sprache und Stimme
Im Lauf der Jahrzehnte wurden verschiedene Stimmen verwendet, aber immer einheitlich für alle Sprachstationen der Familie III. Die erste Stimme, die von 1978 bis etwa Sommer 1985 aktiv war, war sehr hoch und zackig. Die zweite dagegen (aktiv von 1985 bis 1990) war tiefer, recht langsam und eher träge. Die dritte Stimme, aktiv von etwa 1990 bis zum ersten Verstummen 1997, war wieder schneller und in der Tonlage höher. Mit der Wiederaufnahme des Sendebetriebs von G11 kam die letzte bekannte Stimme zum Einsatz, die wieder etwas tiefer in der Tonlage war aber immer noch eine eher zackige Betonung der Zahlen und Signalwörter nutzte. Die Aussprache der deutschen Zahlen erscheint beim ersten Hören recht seltsam und dem polnischen Akzent geschuldet. Von Anfang an waren die Zahlen und Signalewörter voraufgezeichnet, zunächst analog, ab Mitte der 1980er Jahre dann digital. Live-Ausstrahlungen hat es zu keiner Zeit gegeben. Allen Stimmen ist aber durch den polnischen Akzent gemein, dass die Aussprache an sich eher als druckvoll und daher „bellend“ bezeichnet werden kann.
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 0 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
„Einz“ | „Zvou“ | „Drrei“ | „Virr“ | „Fünnef“ | „Sächs“ | „Sibben“ | „Achtt“ | „Neuenn“ | „Zerrau“, „Sirrou“ |
Sendeplan
G11 war, wie auch seine Sprachderivate E11 und S11 bzw. S11a schwer vorherzusagen, da man sich keiner täglichen festen Sendepläne bediente. Tatsächlich sind die Programmzeiten eher annähernd willkürlich über den Tag verteilt und können zu jeder fünften Minute beginnen. Jeder Slot hatte einen zweiten Termin (Sendepaar) pro Woche. Diese mussten nicht zwangsläufig zur selben Uhrzeit auf der gleichen Frequenz ausgestrahlt werden. Diese Sendepaare sind in dem unten dargestellten Sendeplan durch Buchstaben gekennzeichnet.
Daher hier beispielhaft einer der letzten Vorhersagepläne aus dem November 2013:
Wochentag | Zeit (UTC) | Frequenz (kHz) | ID | Sendepaar |
---|---|---|---|---|
Dienstag | 1755 | 6433,0 | 27* | A |
Freitag | 1325 | 6433,0 | 29* | B |
Freitag | 1855 | 3838,0 | 26* | C*) |
Freitag | 2000 | 4441,0 | 26* | D |
Samstag | 1325 | 6433,0 | 29* | B |
Sonntag | 1755 | 6433,0 | 27* | A |
Sonntag | 2000 | 4441,0 | 26* | D |
Anmerkungen: *) = Der zweite Slot der Woche zu diesem Sendepaar konnte nicht gefunden werden und blieb bis zur Abschaltung von G11 unentdeckt.
Anomalien
G11 und seine „Geschwister“ zeichnen sich durch hohe Pünktlichkeit aus. Abweichungen von der vorhergesagten Sendezeit bewegten sich maximal im Bereich von wenigen Sekunden. Allerdings passierte es häufig, dass erwartete Sendungen plötzlich nicht mehr gehört wurden, da sie seitens des Betreibers abgesetzt wurden. Familie III folgt noch heute einem an die Ausbreitungsbedingungen angepassten Sendeplan, der sich im Verlauf eines Jahres viermal ändert. Sendungen verschwanden aber sehr häufig mitten zwischen diesen Anpassungen und tauchten zunächst nicht wieder auf. Es konnten Jahre vergehen, bevor eine ID wieder regelmäßige Timeslots bekam.
Sendungen blieben allerdings aus, wenn es in der Region südwestlich von Warschau Gewitter gab. Dies konnte erst in den letzten Jahren festgestellt werden, da erst dann die entsprechenden Daten über das Internet in Echtzeit zur Verfügung standen (z. B. die Gewitter-Ortungs-Webseite [www.blitzortung.org]). Waren die Gewitter vorbei ging der normale Sendebetrieb wieder seinen Gang.
Fehlerhafte Sendungen
Es gab hin und wieder kleinere technische Probleme bei G11, die aber nie den Totalausfall einer Sendung zur Folge hatte. In den letzten Jahren war bei G11 oftmals eine Brummschleife im Hintergrund der Sendung zu hören. Diese tauchte meistens in den Abendsendungen auf, tagsüber war sie nur äußerst selten zu hören.
Störungen und Interferenzen
Außer den normalen Interferenzen mit anderen Utility-Diensten, gelegentlich auch mit Rundfunksendern, sind keine nennenswerten Störungen von oder durch G11 bekannt.
Tondokumente
<html5media>File:KHR-G11-1980.mp3</html5media>
Aufnahme von OM Karl-Heinz Ruehl von 1980. QRG, Datum und Uhzeit unbekannt: 744/000
<html5media>File:G11a simon mason unbek datum.mp3</html5media>
Aufnahme von OM Simon Mason, Datum, Zeit und Frequenz unbekannt: in progress
<html5media>File:G11 simon mason 1.mp3</html5media>
G11 in einer Aufnahme von Simon Mason. Datum, Frequenz, Zeit unbekannt.
<html5media>File:G11 thought to be inactive 5782 kHz 1800 UTC 31 JAN 07 121-21.mp3</html5media>
Eine der frühen Aufnahmen nach Restart von G11 311800z JAN 2007 auf 5782,0 kHz mit 121/21. Aufnahme von Poacher in Russland!
<html5media>File:13-12-27-1325z-PC.mp3</html5media>
Letzte bei E2k geloggte Sendung von G11: 27.12.2013, 1325z, 6433,0 kHz: 299/32 von Thomas (tiNG)
Einzelnachweise
- ↑ Gelöschter Blogeintrag auf priyom.org, nach wie vor bei archive.org verfügbar, abgerufen am 02.07.2018
- ↑ 2,0 2,1 Das ehemals im Blog verlinkte Bild bei archive.org, abgerufen am 02.07.2018
- ↑ ENIGMA2000 Newsletter 39
- ↑ 4,0 4,1 ENIGMA2000 Newsletter #80
- ↑ Betrachtungen zur Familie III, auch als „Operator Polish-11“ bezeichnet, bei PRIYOM, abgerufen am 16.07.2018
Weitere Quellen
- ENIGMA-Newsletter (Verschiedene Ausgaben - siehe auch Einzelnachweise)
- Privatarchiv von tiNG
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